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Mittwoch, Juni 23, 2010

BGH: Falsche Wohnflächenangaben in Inseraten

Nr. 128/2010 Mietminderung bei Wohnflächenunterschreitung:

Vereinbarung der Wohnfläche durch Absprachen im Vorfeld des Vertragsschlusses

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass ein Mangel einer Mietwohnung aufgrund einer Flächenabweichung auch dann vorliegen kann, wenn der schriftliche Mietvertrag keine Angaben zu der Wohnfläche enthält.

In dem entschiedenen Fall mietete die Klägerin vom Beklagten eine Dachgeschosswohnung in Mannheim. Der schriftliche Mietvertrag enthält keine Angaben zur Größe der Wohnung, diese sind in dem verwendeten Vordruck auch nicht vorgesehen. Die Wohnung war von einer Immobilienmaklerin mit folgender Annonce in der Zeitung angeboten worden: "MA-Waldhof, 3 ZKB-DG, Balkon, ca. 76 m², Parkett, EBK, DM 890,- + NK". Vor Abschluss des Mietvertrages wurden der Mieterin eine Grundrissskizze sowie eine detaillierte Wohnflächenberechnung übergeben, in der die Gesamtgröße der Wohnung mit 76,45 Quadratmetern ausgewiesen wird. Die Mieterin hat mit der Begründung, die Wohnung habe lediglich eine Wohnfläche von 53,25 Quadratmetern, unter anderem die Rückzahlung überzahlter Miete geltend gemacht. Das Amtsgericht hat der Zahlungsklage teilweise stattgegeben. Das Landgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen.

Die dagegen gerichtete Revision der Mieterin hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass angesichts der Geschehnisse bis zur Unterzeichnung des Mietvertrages alleine dem Fehlen von Angaben zur Wohnungsgröße in dem Vertragstext, die dort auch nicht vorgesehen waren, nicht entnommen werden kann, dass sich die Parteien bei Abschluss des Vertrages bezüglich der Wohnfläche nicht vertraglich binden wollten. Die vom Berufungsgericht festgestellten Gesamtumstände lassen vielmehr darauf schließen, dass die Parteien den schriftlichen Vertrag in der beiderseitigen, dem jeweiligen Vertragspartner erkennbaren Vorstellung geschlossen haben, die Wohnung weise die zuvor angegebene Wohnfläche auf. Dies begründet eine konkludente Vereinbarung über die Wohnungsgröße. Liegt – wie im entschiedenen Fall – eine Wohnflächenunterschreitung um mehr als zehn Prozent vor, führt dies zu einer Mietminderung gemäß § 536 BGB* (st. Rspr.; vgl. zuletzt Urteil vom 10. März 2010 – VIII ZR 144/09, Pressemitteilung Nr. 53/2010).

Die Sache ist an das Landgericht zurückverwiesen worden, weil weitere Feststellungen unter anderem zu einer vom Vermieter zur Aufrechnung gestellten Betriebskostennachforderung zu treffen sind.

*§ 536 BGB: Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln

Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

Urteil vom 23. Juni 2010 – VIII ZR 256/09
AG Mannheim - Urteil vom 7. November 2007 – 17 C 460/06
LG Mannheim - Urteil vom 24. September 2008 – 4 S 189/07
Karlsruhe, den 23. Juni 2010
  • Diskussionen
  • Montag, März 22, 2010

    BGH zur ImmoFonds-Prospekthaftung

    Nr. 58/2010 Bundesgerichtshof zur Prospekthaftung bei geschlossenen Immobilienfonds der GEHAG in Berlin

    Die Beklagte, die GEHAG GmbH, ist Gründungsgesellschafterin des GEHAG-Fonds 11 und noch weiterer gleichartiger geschlossener Immobilienfonds, an denen sich in den 90er Jahren zahlreiche Anleger aus dem gesamten Bundesgebiet beteiligt haben. Die GEHAG-Anteile wurden mehrheitlich vom Land Berlin gehalten. Alle Fonds haben ähnliche, aber nicht stets wortgleiche Prospekte.

    Die Fonds waren gegründet worden, um Wohnanlagen - größtenteils im sozialen Wohnungsbau - zu errichten und zu vermieten. Das Land Berlin bezuschusste teilweise die Mieten. Diese Hilfen wurden für 15 Jahre ab Bezugsfertigkeit bewilligt. Üblicherweise schloss sich daran eine ebenfalls 15-jährige "Anschlussförderung" an. Abweichend von dieser Verwaltungsübung beschloss der Berliner Senat im Februar 2003 mit Rücksicht auf die desolate finanzielle Situation der Stadt den Verzicht auf die Anschlussförderung für solche Bauvorhaben, bei denen die Grundförderung nach dem 30.12.2002 endete. Darunter fielen auch die GEHAG-Fonds 11, 15 und 18.

    Die Klägerin verlangt wegen Prospektmängeln u. a. Ersatz ihrer Einlage und Freistellung von der quotalen Haftung für das von der Gesellschaft aufgenommene Bankdarlehen. Damit ist sie in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Anders als bei den Fonds 10 und 20 hat das Berufungsgericht beim Fonds 11 wie auch in anderen Verfahren bei den Fonds 15 und 18 einen Prospektfehler angenommen, weil die Anschlussförderung als gesichert dargestellt worden sei; es hat gleichwohl die Klage abgewiesen, weil es den Fehler nicht als ursächlich für die Beitrittsentscheidung angesehen hat. Dagegen wendet sich die Revision ebenso wie gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass wegen der Darstellung der quotalen Haftung der Anleger für Schulden des Fonds kein Prospektfehler anzunehmen sei.

    Die von dem für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenat in diesem und in 10 weiteren Fällen zugelassene Revision führte zur Aufhebung der Berufungsurteile und Zurückverweisung der Sachen an das Berufungsgericht.

    Der II. Senat hat dem Berufungsgericht zugestimmt, dass anders als die Darstellung der quotalen Haftung die Prospektformulierungen zur Anschlussförderung fehlerhaft sind. Denn diese erwecken den Eindruck, die Anschlussförderung sei gesichert, obwohl es tatsächlich keinen Rechtsanspruch darauf gegeben hat. Diese Aussage ist auch dann unrichtig i. S. d. Prospekthaftungsrechtsprechung, wenn man mit dem Berufungsgericht davon ausgeht, dass bei der Zeichnung der Fonds in der ersten Hälfte der 90er Jahre allgemein erwartet wurde, das Land Berlin werde den sozialen Wohnungsbau weiterhin fördern.

    Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der II. Senat angenommen, dass eine fehlerhafte Aufklärung nach der Lebenserfahrung ursächlich für die Anlageentscheidung ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt allenfalls bei hochspekulativen Geschäften in Betracht. Ein Immobilienfonds ist aber keine derart spekulative Anlageform. Bei einem zutreffenden Hinweis auf die rechtliche Ungewissheit der Anschlussförderung wäre es für einen durchschnittlichen Anlageinteressenten durchaus vernünftig gewesen, nicht in dieses Vorhaben zu investieren. Unabhängig von der Anschlussförderung konnte der Anleger mit der Anlage zwar Steuern sparen. Er riskierte aber, dass der Fonds bei Ausbleiben der Anschlussförderung nach 15 Jahren insolvent wurde und damit das investierte Kapital verloren wäre. Dem standen keine adäquaten Gewinnchancen gegenüber; das hat auch die Beklagte selbst eingeräumt, die nämlich erklärt hat: "Ohne Anschlussförderung hätte kein Investor dieser Welt auch nur eine einzige Wohnung in Berlin in diesem Marktsegment gebaut."

    Das Recht des Anlegers, das Für und Wider selbst abzuwägen und seine Anlageentscheidung in eigener Verantwortung zu treffen, wird in diesen Fällen auch durch unzutreffende Informationen über Umstände, für deren Eintritt eine nur geringe Wahr-scheinlichkeit besteht, beeinträchtigt.

    Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens hat die Beklagte bisher nicht widerlegt. Da noch von der Beklagten angebotene Beweise erhoben werden müssen, hat der II. Senat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

    Fonds 11: II ZR 66/08, II ZR 184/08, II ZR 185/08, II ZR 198/08, II ZR 3/09
    Fonds 15: II ZR 162/08, II ZR 181/08, II ZR 193/08, II ZR 215/08
    Fonds 18: II ZR168/08, II ZR 178/08
    II ZR 66/08
    LG Berlin – 4a O 342/05 – Entscheidung vom 24. April 2007
    KG – 26 U 102/07 – Entscheidung vom 13. Februar 2008
    Karlsruhe, den 22. März 2010

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    KOMMENTAR: Welcher Esel verfasste den Prospekt, bekam wie viel Geld dafür und haftet nun nicht?
  • Diskussion
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