Mittwoch, November 17, 2010

BGH zur Eigenbedarfskündigung

Nr. 219/2010 Zur Kündigung eines Mietverhältnisses über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude

Der Bundesgerichtshof hat heute die Voraussetzungen der Kündigung eines Mietverhältnisses über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude präzisiert.

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung der Klägerin in Friedberg. Der Mietvertrag wurde im Jahr 2004 noch mit dem Voreigentümer des Hauses geschlossen, in dessen Obergeschoss sich die Wohnung der Beklagten befindet. Zu diesem Zeitpunkt war neben der Wohnung im Erdgeschoss auch eine Einliegerwohnung im Kellergeschoss des Hauses, bestehend aus einem Wohn-/Schlafraum mit Küchenzeile und Bad, an Dritte vermietet. Als die Klägerin das Haus im Jahr 2006 erwarb, bestand das Mietverhältnis über die Kellerräume nicht mehr. Die Klägerin bezog zusammen mit ihrem Ehemann die Wohnung im Erdgeschoss und nutzt die Räumlichkeiten im Keller als zusätzliche Räume (Besucherzimmer, Bügel- und Arbeitszimmer).

Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis gestützt auf § 573a Abs. 1 BGB*. Die von ihr erhobene Räumungsklage wurde vom Amtsgericht abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin ist von dem unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständigen VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zurückgewiesen worden. Für die Beurteilung, ob in einem Gebäude mehr als zwei Wohnungen vorhanden sind, ist die Verkehrsanschauung maßgebend. Unter einer Wohnung wird gemeinhin ein selbständiger, räumlich und wirtschaftlich abgegrenzter Bereich verstanden, der eine eigenständige Haushaltsführung ermöglicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllen die Räumlichkeiten im Keller des Wohnhauses der Klägerin diese Anforderungen, denn neben einem 42 qm großen Wohn-/Schlafraum verfügen sie über eine Küchenzeile und ein Tageslichtbad mit Toilette.

Die Tatsache der Existenz von drei Wohnungen in dem Wohnhaus der Klägerin hat sich nicht dadurch geändert, dass die Klägerin die im Keller befindlichen Räume in ihren Wohnbereich integriert hat, indem sie die Einliegerwohnung seit dem Erwerb des Hauses im Jahr 2006 als Besucher-, Bügel- und Arbeitszimmer nutzt. Denn durch diese Erweiterung des Wohnbereichs der Klägerin hat sich der einmal gegebene Wohnungsbestand nicht reduziert. Das Berufungsgericht hat sich zur Begründung seiner abweichenden Auffassung zu Unrecht auf das Senatsurteil vom 25. Juni 2008 (VIII ZR 307/07) gestützt. Die in dieser Entscheidung vom Senat gebilligte tatrichterliche Beurteilung, die Aufteilung einander ergänzender Räume auf zwei Stockwerke hindere nicht die Annahme einer (einzigen) Wohnung, beruhte auf anderen tatsächlichen Gegebenheiten. Die betreffenden Räume im Dachgeschoss jenes Gebäudes stellten – anders als die Einliegerwohnung im Haus der Klägerin – keine eigenständige Wohnung dar.

Da die Einliegerwohnung vom Einzug der Beklagten bis zum Ausspruch der Kündigung eine eigenständige Wohnung war, waren die Voraussetzungen einer erleichterten Kündigung nach § 573a Abs. 1 BGB zu keiner Zeit erfüllt. Daher bedurfte die in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum umstrittene Frage, ob es hinsichtlich des Wohnungsbestandes auf den Zeitpunkt des Beginns des Mietverhältnisses oder den Zeitpunkt der Kündigung ankommt, keiner Entscheidung.

*§ 573a BGB: Erleichterte Kündigung des Vermieters

(1) Ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen kann der Vermieter auch kündigen, ohne dass es eines berechtigten Interesses im Sinne des § 573 bedarf. Die Kündigungsfrist verlängert sich in diesem Fall um drei Monate.

(…)

Urteil vom 17. November 2010 – VIII ZR 90/10
AG Friedberg (Hessen) – Urteil vom 7. August 2009 – 2 C 529/09
LG Gießen – Urteil vom 24. Februar 2010 – 1 S 239/09
Karlsruhe, den 17. November 2010
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

BGH zu nicht geeichten Wasserzählern

Nr. 221/2010 Zur Verwendung von Verbrauchswerten eines nicht geeichten Wasserzählers im Rahmen der Betriebskostenabrechnung

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass im Rahmen der Betriebskostenabrechnung die Messwerte eines nicht geeichten Wasserzählers verwendet werden dürfen, wenn der Vermieter nachweisen kann, dass die angezeigten Werte zutreffend sind.

Die Kläger hatten von September 2004 bis Februar 2008 eine Wohnung von den Beklagten in Bautzen gemietet. Der zu der Wohnung gehörende Wasserzähler war in den Jahren 2006 und 2007 nicht geeicht. Die Kläger sind der Auffassung, dass die von dem Gerät ermittelten Messwerte nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EichG* unverwertbar seien und die Beklagten daher die nach Verbrauch abgerechneten Kosten für Wasser/Abwasser nicht in die entsprechenden Betriebskostenabrechnungen einstellen dürften. Hierdurch ergebe sich unter Berücksichtigung der geleisteten Vorauszahlungen ein Guthaben von 134,09 € für das Jahr 2006 und in Höhe von 222,83 € für das Jahr 2007. Die Beklagten behaupten, der Wasserzähler habe ordnungsgemäß funktioniert; insofern müssten die Kläger für 2006 noch 496,53 € und für das Jahr 2007 noch 154,79 € nachzahlen.

Mit der Klage haben die Kläger von den Beklagten neben der Kautionsrückzahlung auch die Zahlung des sich ihrer Ansicht nach ergebenden Guthabens aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2006 und 2007 (insgesamt 1.117,77 €) verlangt. Die Beklagten haben mit den behaupteten Ansprüchen auf Nachzahlung von Betriebskosten die Aufrechnung erklärt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil abgeändert und die Klage in Höhe von 377,62 € abgewiesen.

Die dagegen gerichtete Revision der Kläger blieb ohne Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass es im Rahmen der Betriebskostenabrechnung allein darauf ankommt, dass der tatsächliche Verbrauch zutreffend wiedergegeben ist. Beruhen die in die Betriebskostenabrechnung eingestellten Verbrauchswerte auf der Ablesung eines geeichten Messgeräts, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Werte den tatsächlichen Verbrauch wiedergeben. Den von einem nicht geeichten Messgerät abgelesenen Werten kommt die Vermutung ihrer Richtigkeit nicht zu. In diesem Fall muss der Vermieter darlegen und beweisen, dass die abgelesenen Werte zutreffend sind. Gelingt dem Vermieter dieser Nachweis, steht einer Verwendung der Messwerte § 25 Abs. 1 Nr. 1a EichG nicht entgegen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Nachweis durch Vorlage einer Prüfbescheinigung einer staatlich anerkannten Prüfstelle geführt, aus der hervorgeht, dass die Messtoleranzgrenzen eingehalten waren.

*§ 25 EichG: Fortbestehen von Eichpflichten

(1) Es ist verboten,

1. Meßgeräte zur Bestimmung

a) der Länge, der Fläche, des Volumens, der Masse, der thermischen oder elektrischen Energie, der thermischen oder elektrischen Leistung, der Durchflußstärke von Flüssigkeiten oder Gasen oder der Dichte oder des Gehalts von Flüssigkeiten,

b) (…)

ungeeicht im geschäftlichen Verkehr zu verwenden oder so bereitzuhalten, daß sie ohne besondere Vorbereitung in Gebrauch genommen werden können,

Urteil vom 17. November 2010 – VIII ZR 112/10
AG Bautzen – Urteil vom 30. Juni 2009 – 21 C 1010/08
LG Bautzen – Urteil vom 30. April 2010 – 1 S 87/09
Karlsruhe, den 17. November 2010
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Mittwoch, November 10, 2010

BGH zu falschen Mietflächenangaben

Nr. 212/2010 v. 10.Nov.2010

Zur Mietminderung wegen Flächenunterschreitung bei ausdrücklichem Hinweis auf fehlende Verbindlichkeit der im Mietvertrag angegebenen Wohnungsgröße

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass eine Mietminderung wegen Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche um mehr als 10 % nicht in Betracht kommt, wenn die Parteien in dem Vertrag deutlich bestimmt haben, dass die Angabe der Quadratmeterzahl nicht zur Festlegung des Mietgegenstandes dient.

Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung des Klägers in Potsdam. Zur Wohnungsgröße heißt es in § 1 des Mietvertrags:

"Vermietet werden … folgende Räume: Die Wohnung im Dachgeschoss rechts bestehend aus 2 Zimmer, 1 Küche, Bad, Diele zur Benutzung als Wohnraum, deren Größe ca. 54,78 m² beträgt. Diese Angabe dient wegen möglicher Messfehler nicht zur Festlegung des Mietgegenstandes. Der räumliche Umfang der gemieteten Sache ergibt sich vielmehr aus der Angabe der vermieteten Räume."

Die monatlich zu zahlende Miete betrug 390 € zuzüglich eines Betriebskostenvorschusses von 110 €. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung rückständiger Miete und eine Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2006. Die Beklagte beruft sich auf Mietminderung wegen Flächenunterschreitung und hat darüber hinaus mit einem angeblichen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Mieten die Aufrechnung gegen die Klageforderung erklärt. Zur Begründung beruft sie sich darauf, die tatsächliche Größe der Wohnung betrage nur 41,63 m². Das Amtsgericht hat auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens eine tatsächliche Wohnfläche von 42,98 m² zugrunde gelegt.

Das Amtsgericht hat die Minderung im Grundsatz für berechtigt gehalten und der Klage daher nur in geringer Höhe stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin eine Mietminderung wegen Wohnflächenunterschreitung verneint und die Beklagte zu weitergehender Zahlung verurteilt.

Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass bei der hier gegebenen Vertragsgestaltung ein zur Minderung der Miete führender Mangel wegen einer Wohnflächenabweichung um mehr als 10 % nicht vorliegt, weil die Angabe der Größe der Wohnung in dem Mietvertrag der Parteien nicht – wie dies sonst regelmäßig der Fall ist – als verbindliche Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen ist. Vielmehr haben die Parteien ausdrücklich bestimmt, dass die Angabe der Quadratmeterzahl nicht zur Festlegung des Mietgegenstands dienen, sich der räumliche Umfang der Mietsache vielmehr aus der Angabe der vermieteten Räume ergeben soll. Insofern liegt hier keine mangelbegründende Flächenabweichung vor.

Urteil vom 10. November 2010 – VIII ZR 306/09
AG Potsdam – Urteil vom 6. Oktober 2008 – 24 C 293/07
LG Potsdam – Urteil vom 29. Oktober 2009 – 11 S 200/08
Karlsruhe, den 10. November 2010
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Mittwoch, November 03, 2010

BGH zur Mietminderung ohne Mängelanzeige

BGH-PM Nr. 209/2010 Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts wegen Mängeln der Wohnung setzt vorherige Mangelanzeige voraus

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass der Mieter wegen eines Mangels der Wohnung, von dem der Vermieter keine Kenntnis hat, ein Zurückbehaltungsrecht erst an den Mieten geltend machen kann, die fällig werden, nachdem der Mieter dem Vermieter den Mangel angezeigt hat.

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung des Klägers in Berlin-Zehlendorf. Sie zahlten für die Monate April, Juni und Juli 2007 keine und für Mai 2007 lediglich einen Teil der Miete. Mit Schreiben vom 5. Juni 2007 erklärte der Kläger die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs. Die Beklagten widersprachen der Kündigung mit Schreiben vom 14. Juni 2007 unter Hinweis auf einen Schimmelpilzbefall in mehreren Zimmern.

Der Kläger hat mit seiner Klage unter anderem Räumung und Herausgabe der Wohnung begehrt. Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben. Das Landgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Räumungsklage abgewiesen; es hat gemeint, die Mieter seien mit der Zahlung der Miete nicht in Verzug geraten, weil ihnen ungeachtet der unterbliebenen Anzeige des Schimmelbefalls ein Anspruch auf Beseitigung dieses Mangels zugestanden habe und sie sich auf ein daraus ergebendes Zurückbehaltungsrecht betreffend die Zahlung der Miete berufen könnten.

Die dagegen gerichtete Revision des Klägers hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Räumungsurteils. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten an Mietzahlungen, die sie für einen Zeitraum vor der Anzeige des - dem Vermieter zuvor nicht bekannten – Schimmelpilzbefalls der Wohnung schulden, nicht in Betracht kommt. Das Zurückbehaltungsrecht des § 320 BGB* dient dazu, auf den Schuldner (hier: den Vermieter) Druck zur Erfüllung der eigenen Verbindlichkeit auszuüben. Solange dem Vermieter ein Mangel nicht bekannt ist, kann das Zurückbehaltungsrecht die ihm zukommende Funktion, den Vermieter zur Mangelbeseitigung zu veranlassen, nicht erfüllen. Ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters besteht daher erst an den nach der Anzeige des Mangels fällig werdenden Mieten.

*§ 320 BGB: Einrede des nichterfüllten Vertrags

(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. (…)

Urteil vom 3. November 2010 – VIII ZR 330/09
AG Schöneberg – Urteil vom 5. Dezember 2007 – 12 C 368/07
LG Berlin – Urteil vom 6. November 2009 – 63 S 17/08
Karlsruhe, den 3. November 2010
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

EuGH-Vorlage: Darf die Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden vom Flächenverhältnis anstelle des Umsatzverhältnisses abhängig gemacht werden?

Nr. 94 vom 03. November 2010 Beschluss vom 22.07.10 V R 19/09

Mit Beschluss vom 22. Juli 2010 hat der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet.

In der Sache geht es um die Höhe des Vorsteuerabzugs für Eingangsleistungen zur Herstellung eines Gebäudes, mit dem sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Vermietungsumsätze erzielt werden. Da der Vorsteuerabzug nur für steuerpflichtige Ausgangsumsätze eröffnet wird, ist in diesen Fällen ebenso wie bei der Errichtung eines Gebäudes für Geschäfts- und private Wohnzwecke eine Aufteilung der Vorsteuern erforderlich. Als Aufteilungsmaßstab kommt das Verhältnis von steuerfrei zu steuerpflichtig vermieteten Flächen in Betracht (Flächenschlüssel), nach der Rechtsprechung des BFH aber auch die für Steuerpflichtige oft günstigere Höhe der Mietumsätze (Umsatzschlüssel). Im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 2003 ordnete der Gesetzgeber an, dass ab dem 1. Januar 2004 eine Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel nur noch dann erfolgen darf, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Da bei Gebäuden eine Aufteilung nach dem Flächenschlüssel stets eine wirtschaftliche Zurechnung ermöglicht, schließt die Gesetzesänderung eine Anwendung des Umsatzschlüssels praktisch aus.

Der V. Senat fragt beim EuGH an, ob diese Einschränkung des Umsatzschlüssels mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar ist. Dieses sieht den Umsatzschlüssel als Regel-Aufteilungsmaßstab vor. Hiervon können die Mitgliedstaaten zwar in Ausnahmefällen abweichen, der Senat hält es jedoch für zweifelhaft, ob die Voraussetzungen für einen dieser Ausnahmefälle vorliegen.

Die EuGH-Vorlage hat große Bedeutung für die Errichtung von Wohn- und Geschäftsgebäuden, da die Höhe des Vorsteuerabzugs deren Finanzierung (Kapitalbedarf) beeinflusst.

Donnerstag, Oktober 14, 2010

Berlin will Modernisierungsrentabilität verschlechtern

Der Berliner Senat will per Bundesratsinitiative erreichen, dass Modernisierungskosten nicht mehr mit 11 Prozent, sondern nur noch mit 9 Prozent auf die Nettomiete abgewälzt werden darf. Der Vorstoß solle "die Akzeptanz für energetische Sanierungen erhöhen". Die Akzeptanz bei den Vermietern dürfte nicht gemeint sein, denn schon die 11-prozentige Umlage war für viele Vermieter ein unzureichender Ausgleich für Investitionen.
Beispiel: Kostet eine Heizungsanlagenmodernisierung 5.000 €, so darf sich bisher die monatliche Netto-Miete um 45,83 € erhöhen, nach neun Jahren setzte für den Vermieter die erste Investitionsverzinsung ein, während die Heizungstechnik schon wieder als "veraltet" gilt.
Zudem wünscht der Berliner Senat, dass Mieterhöhungen auch in Fällen, in denen die Netto-Mieten weit unter der Ortsüblichkeit liegen, binnen vier Jahren nicht mehr um 20 Prozent, sondern nur noch um 15 Prozent steigen dürfen.
  • Diskussionen
  • Mittwoch, Oktober 13, 2010

    BGH zur Eigenbedarfskündigung

    Zu den Informationspflichten eines Vermieters im Fall des Freiwerdens einer vergleichbaren Wohnung
    nach einer Eigenbedarfskündigung
    Der Bundesgerichtshof hat heute die Pflicht des Vermieters präzisiert, dem Mieter nach einer berechtigten Kündigung wegen Eigenbedarfs eine während der Kündigungsfrist freiwerdende vergleichbare Wohnung im selben Haus anzubieten.

    Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung der Klägerin in Bonn, in der er zusammen mit seiner ebenfalls in Anspruch genommenen Ehefrau lebt. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis durch Schreiben vom 23. April 2008 wegen Eigenbedarfs zum 31. Januar 2009. Vor Ablauf der Kündigungsfrist wurde im 1. Obergeschoss des Hauses, in dem auch die Mietwohnung der Beklagten gelegen ist, eine weitere Mietwohnung der Klägerin frei. Die Klägerin vermietete diese Wohnung anderweitig neu, ohne sie zuvor den Beklagten angeboten zu haben.

    Das Amtsgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht hat der Klage auf die Berufung der Vermieterin stattgegeben.

    Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine Rechtsprechung bekräftigt, dass der wegen Eigenbedarfs berechtigt kündigende Vermieter dem Mieter eine andere, ihm zur Verfügung stehende vergleichbare Wohnung während der Kündigungsfrist anbieten muss, sofern sich die Wohnung im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befindet. Anderenfalls ist die ausgesprochene Kündigung wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Anbietpflicht muss der Vermieter den Mieter über die wesentlichen Bedingungen einer Anmietung (Größe und Ausstattung der Wohnung sowie Mietkonditionen) informieren. Da im vorliegenden Streitfall der Vermieter dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, hat er keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der an die Beklagten vermieteten Wohnung.

    Urteil vom 13. Oktober 2010 – VIII ZR 78/10
    AG Bonn – Urteil vom 5. November 2009 – 202 C 58/09
    LG Bonn – Urteil vom 18. März 2010 – 6 S 5/10
    Karlsruhe, den 13. Oktober 2010
    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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  • BGH zu Mietkautionskonten

    Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass ein Mieter von Wohnraum die Zahlung der Kaution von der Benennung eines insolvenzfesten Kontos durch den Vermieter abhängig machen darf.

    Die Beklagten haben von den Klägern, die Eigentümer eines Gutshofes mit Stallungen und Weideland sind, durch zwei voneinander abhängige Mietverträge eine auf diesem Hof gelegene Wohnung sowie sechs Pferdeboxen nebst Weideland gemietet. Während der Mietvertrag über die Stallungen keine Kautionszahlung der Beklagten vorsieht, enthält der Wohnraummietvertrag in § 6 Nr. 2 folgende Regelung zur Sicherheitsleistung:

    "Der Mieter leistet bei Beginn des Mietverhältnisses dem Vermieter für die Erfüllung seiner Verpflichtungen eine Barkaution in Höhe von 2.000,00 € auf ein Mietkautionskonto - Übergabe an den Vermieter beim Einzug. Der Vermieter hat diese Geldsumme getrennt von seinem Vermögen bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen. Die Zinsen stehen dem Mieter zu. Sie erhöhen die Sicherheit. Der Mieter ist berechtigt, die Kautionssumme in 3 Monatsraten zu bezahlen. Die erste Rate ist zu Beginn des Mietverhältnisses fällig, die beiden folgenden Raten mit der zweiten und dritten Miete (…)."

    Die Beklagten zahlten die vereinbarte Kaution trotz mehrfacher Aufforderung nicht. Sie beriefen sich darauf, dass eine Zahlung erst dann erfolgen müsse, wenn die Vermieter ihnen ein gesondertes und den gesetzlichen Anforderungen genügendes Mietkautionskonto benannt und nachgewiesen hätten. Die Kläger vertraten die Auffassung, dass ein Mietkautionskonto nicht vorab mitgeteilt werden müsse, und kündigten in der Folge das gesamte Mietverhältnis wegen der fehlenden Kautionsleistung. Die Kläger haben mit ihrer Klage Räumung sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt.

    Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

    Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Mieter die Zahlung der Kaution davon abhängig machen darf, dass der Vermieter zuvor ein insolvenzfestes Konto benennt. Gemäß § 551 Abs. 3 BGB* hat der Vermieter eine ihm überlassene Mietsicherheit unabhängig von der gegebenenfalls vereinbarten Anlageform getrennt von seinem Vermögen anzulegen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, die Kaution vom Vermögen des Vermieters zu trennen und so vor dem Zugriff von dessen Gläubigern zu schützen. Es besteht kein Grund dafür, dem Mieter diesen vom Gesetzgeber bezweckten Schutz nicht von vornherein zu gewähren, sondern bei Beginn des Mietverhältnisses eine Lücke zu belassen, indem der Mieter die Kaution dem Vermieter zunächst in bar übergeben oder auf ein nicht insolvenzfestes Vermieterkonto überweisen muss. Im vorliegenden Streitfall haben die Mieter durch die Nichtzahlung der Kaution daher ihre Pflicht zur Erbringung der Mietsicherheit nicht verletzt; die darauf gestützte Kündigung ist unwirksam.

    * § 551BGB: Begrenzung und Anlage von Mietsicherheiten

    (…)

    (3) Der Vermieter hat eine ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen. Die Vertragsparteien können eine andere Anlageform vereinbaren. In beiden Fällen muss die Anlage vom Vermögen des Vermieters getrennt erfolgen und stehen die Erträge dem Mieter zu. Sie erhöhen die Sicherheit. Bei Wohnraum in einem Studenten- oder Jugendwohnheim besteht für den Vermieter keine Pflicht, die Sicherheitsleistung zu verzinsen. (…)

    Urteil vom 13. Oktober 2010 – VIII ZR 98/10
    AG Rheinberg – Urteil vom 20. Juli 2009 – 12 C 498/08
    LG Kleve – Urteil vom 25. März 2010 – 6 S 129/09
    Karlsruhe, den 13. Oktober 2010
  • Diskussionen
  • Mittwoch, Oktober 06, 2010

    Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen kann auch von Ehegatten nur für eine Wohnung in Anspruch genommen werden

    BFH Pressermitteilung Nr. 86 vom 06.10.2010 Urteil vom 29.07.10 VI R 60/09

    Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 29. Juli 2010 VI R 60/09 entschieden, dass zusammen veranlagte Ehegatten, die mehrere Wohnungen nutzen, die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen nur einmal bis zum gesetzlich geregelten Höchstbetrag (im Streitfall 600 €; aktuell 1.200 €) in Anspruch nehmen können.

    Im entschiedenen Fall bewohnten die Kläger Einfamilienhäuser an zwei Orten und ließen durch verschiedene Handwerksbetriebe Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen an den beiden Wohnungen durchführen. In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragten die Ehegatten für beide Wohnungen jeweils eine Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsleistungen nach § 35a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Finanzamt gewährte die Steuerermäßigung abweichend von der Einkommensteuererklärung lediglich bis zum Höchstbetrag von 600 €.

    Der BFH bestätigte diese Auffassung. Für eine mehrfache Inanspruchnahme der Steuerermäßigung findet sich kein Anhaltspunkt im Gesetz. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebe sich lediglich, dass die Handwerkerleistungen in einem inländischen Haushalt zu erbringen sind. Daraus könne nicht geschlossen werden, dass bei mehreren tatsächlich genutzten Wohnungen die Steuerermäßigung auch mehrfach zu gewähren sei. Auch die Begrenzung der Steuerermäßigung der Höhe nach gelte unabhängig davon, ob die steuerbegünstigten Leistungen in einer oder in mehreren Wohnungen erbracht worden seien.

    Zusammen veranlagten Ehegatten wird danach die Steuerermäßigung nur einmal gewährt. Eine Benachteiligung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch die Begrenzung der Steuerermäßigung auf 600 € auch bei mehreren tatsächlich genutzten Wohnungen sieht der BFH nicht. Denn auch Alleinstehende, die gemeinsam in zwei Wohnungen wirtschaften, können die Höchstbeträge des § 35a EStG ebenfalls nur einmal in Anspruch nehmen (§ 35a Abs. 3 EStG). Damit ist allein die gemeinsame Wirtschaftsführung am Ort oder den Orten der Leistungserbringung, nicht aber der Familienstand entscheidend.

    BGH zu "Kündigungskosten"

    Zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die Kündigung durch einen gewerblichen Großvermieter
    Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass es einem gewerblichen Großvermieter in tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen zuzumuten ist, ein Kündigungsschreiben ohne anwaltliche Hilfe zu verfassen. Die Kosten für einen dennoch beauftragten Rechtsanwalt sind daher vom Mieter nicht zu erstatten.

    Die Klägerin ist ein Unternehmen der Wohnungswirtschaft, das über eine Vielzahl von Wohnungen verfügt und diese gewerblich vermietet. Die Beklagten, die eine Wohnung von der Klägerin gemietet haben, gerieten mit zwei Monatsmieten in Rückstand. Daraufhin erklärte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben die fristlose Kündigung des Mietvertrags gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB*. Die Klägerin hat mit ihrer Klage Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie Zahlung der durch das Kündigungsschreiben entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 402,82 € begehrt. Hinsichtlich der in der Revision allein noch maßgeblichen Rechtsanwaltskosten hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

    Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Kosten, die aus der Sicht des Vermieters zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte nicht erforderlich und zweckmäßig sind, vom Mieter nicht als Verzugsschaden zu ersetzen sind. Sofern es sich wie in der entschiedenen Konstellation um einen tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall handelt, bedarf ein gewerblicher Großvermieter für die Abfassung einer auf Zahlungsverzug gestützten Kündigung keiner anwaltlichen Hilfe. Dies gilt auch dann, wenn der Großvermieter nicht über eine eigene Rechtsabteilung verfügt.

    *§ 543 BGB: Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

    (1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. (…)

    (2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn (…)

    3. der Mieter

    a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder

    b)in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. (…)

    Urteil vom 6. Oktober 2010 – VIII ZR 271/09
    AG Wiesbaden - Urteil vom 6. April 2009 – 93 C 8201/08 (29)
    LG Wiesbaden - Urteil vom 18. September 2009 – 2 S 38/09
    Karlsruhe, den 6. Oktober 2010
  • Diskussionen
  • Mittwoch, September 29, 2010

    Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung von Gewerbeobjekten

    BFH Pressemitteilung Nr. 83 vom 29.09.2010 Urteil vom 20.07.10 IX R 49/09

    Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 20. Juli 2010 IX R 49/09 entschieden, dass auch bei langfristiger Vermietung von Gewerbeobjekten - anders als bei Wohnobjekten - die Einkünfteerzielungsabsicht nicht vermutet wird, sondern im Einzelfall konkret festzustellen ist. Damit wird die Anerkennung von Verlusten erschwert.

    Im entschiedenen Fall hatte der Kläger ein Gewerbeobjekt in den Streitjahren 2002 bis 2005 nicht vermietet, davor nur zum Teil, sporadisch und unter Wert. Er erzielte erhebliche Werbungskostenüberschüsse, vor allem wegen Abschreibungen, Grundsteuer und Gebäudeversicherung. Seine Vermietungsbemühungen waren wenig stringent und effektiv.

    Das Finanzgericht (FG) hatte die geltend gemachten Werbungskosten mangels hinreichenden Nachweises der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers nicht anerkannt. Dies bestätigte der BFH im Ergebnis.

    Der Abzug von Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung erfordert, dass der Steuerpflichtige die Absicht hat, aus der Vermietung auf Dauer einen Einnahmeüberschuss zu erzielen. Hiervon ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich auszugehen. Dies gilt aber nur für die Vermietung von Wohnungen, nicht indes für die Vermietung von Gewerbeobjekten. Bei Gewerbeimmobilien hat das FG im Einzelfall festzustellen, ob der Steuerpflichtige beabsichtigt (hat), auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen.

    Den Steuerpflichtigen trifft im Zweifel die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht. Zeigt sich aufgrund bislang vergeblicher Vermietungsbemühungen, dass für das Objekt, so wie es baulich gestaltet ist, kein Markt besteht und die Immobilie deshalb nicht vermietbar ist, so muss der Steuerpflichtige - will er seine Vermietungsabsicht belegen - zielgerichtet darauf hinwirken, unter Umständen auch durch bauliche Umgestaltungen einen vermietbaren Zustand des Objekts zu erreichen. Bleibt er untätig und nimmt den Leerstand auch künftig hin, spricht dieses Verhalten gegen den endgültigen Entschluss zu vermieten.

    Mittwoch, September 08, 2010

    BFH zur Versteuerung von Steuererstattungen

    PE Nr. 78 vom 08. September 2010
    Vom Finanzamt geleistete Zinsen auf Einkommensteuererstattungen sind nicht zu versteuern
    Urteil vom 15.06.10 VIII R 33/07

    Gesetzliche Zinsen, die das Finanzamt (FA) aufgrund von Einkommensteuererstattungen an den Steuerpflichtigen zahlt (sog. Erstattungszinsen) unterliegen nicht der Einkommensteuer. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 15. Juni 2010 VIII R 33/07 entschieden und damit seine frühere Rechtsprechung teilweise geändert.

    Bis 1999 konnten Nachzahlungszinsen, die der Steuerpflichtige an das Finanzamt zu zahlen hatte, als Sonderausgaben abgezogen werden. Nachdem diese Regelung ersatzlos entfallen war, mussten die Erstattungszinsen nach wie vor versteuert werden, während die Nachzahlungszinsen nicht mehr abgezogen werden durften. Das war bei vielen Steuerpflichtigen auf Unverständnis gestoßen. Nach der Änderung der Rechtsprechung sind nun gesetzliche Zinsen, die im Verhältnis zwischen Steuerpflichtigen und FA für Einkommensteuernachzahlungen oder erstattungen entstehen, insgesamt steuerrechtlich unbeachtlich.

    Im Streitfall machte ein Steuerpflichtiger, der aufgrund desselben Einkommensteuerbescheids nicht abziehbare Nachzahlungszinsen an das FA zu leisten und zugleich vom FA bezogene Erstattungszinsen als Einahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern hatte, in erster Linie geltend, das in § 12 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelte Abzugsverbot für Nachzahlungszinsen sei verfassungswidrig.

    Der BFH hat dieses gesetzliche Abzugsverbot als verfassungsgemäß bestätigt, aber die Beurteilung von Erstattungszinsen teilweise geändert. Erstattungszinsen wurden bisher in jedem Fall als steuerbare Einnahmen aus Kapitalvermögen angesehen. Der Steuerpflichtige überlasse dem Finanzamt mit der letztlich nicht geschuldeten (und deshalb später zu erstattenden) Steuerzahlung Kapital zur Nutzung und erhalte dafür als Gegenleistung vom Finanzamt die Erstattungszinsen. An dieser Rechtsprechung hält der BFH im Grundsatz zwar fest. Das gilt jedoch nicht, wenn die Steuer wie hier die Einkommensteuer und darauf entfallende Nachzahlungszinsen gemäß § 12 Nr. 3 EStG vom Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausgeschlossen und damit dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen sind mit der Folge, dass die Steuererstattung beim Steuerpflichtigen nicht zu Einnahmen führt. Diese gesetzliche Wertung strahlt auf die damit zusammenhängenden Zinsen in der Weise aus, dass Erstattungszinsen ebenfalls nicht steuerbar sind.

    Mittwoch, August 11, 2010

    BFH zur Grundbesteuerung

    Nr. 68 vom 11. August 2010
    BFH hält allgemeine Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer für erforderlich
    Urteil vom 30.06.10 II R 60/08

    Die Einheitsbewertung des Grundvermögens ist vom Bundesfinanzhof (BFH) trotz verfassungsrechtlicher Zweifel bislang als verfassungsgemäß beurteilt worden. Im Urteil vom 30. Juni 2010 II R 60/08 hat er daran jedenfalls für Stichtage bis zum 1. Januar 2007 festgehalten, aber zusätzlich darauf hingewiesen, dass das weitere Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer mit verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes GG ), nicht vereinbar sei.

    Zur Begründung führt der BFH aus, dass die Festschreibung der Wertverhältnisse auf den Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) nur sachgerecht und aus verfassungsrechtlicher Sicht hinnehmbar sei, wenn der Hauptfeststellungszeitraum eine angemessene Dauer nicht überschreite. Die über mehr als vier Jahrzehnte unveränderte Einheitsbewertung des Grundbesitzes verfehle insbesondere die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen an eine realitätsgerechte Bewertung. Auf unbegrenzte Dauer sei es auch nicht hinnehmbar, dass eine Wertminderung wegen Alters nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) ausgeschlossen werde. Ferner führe das jahrzehntelange Unterlassen einer flächendeckenden Grundstücksneubewertung zwangsläufig zu verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Defiziten beim Gesetzesvollzug, weil verfahrensrechtlich nicht sichergestellt werde, dass dem Finanzamt Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse bekannt werden.

    Verfassungsrechtlich geboten sei eine erneute Hauptfeststellung besonders im Beitrittsgebiet, wo die Wertverhältnisse auf den 1. Januar 1935 festgeschrieben seien. Der sich daraus ergebende gleichheitswidrige Zustand könne im Hinblick auf die verstrichene Zeit nicht mehr mit den Übergangsschwierigkeiten nach der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands gerechtfertigt werden.

    BFH hält allgemeine Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer für erforderlich

    BFH-Pressemitteilung Nr.68 vom 11.8.2010 Urteil vom 30.06.10 II R 60/08

    Die Einheitsbewertung des Grundvermögens ist vom Bundesfinanzhof (BFH) trotz verfassungsrechtlicher Zweifel bislang als verfassungsgemäß beurteilt worden. Im Urteil vom 30. Juni 2010 II R 60/08 hat er daran jedenfalls für Stichtage bis zum 1. Januar 2007 festgehalten, aber zusätzlich darauf hingewiesen, dass das weitere Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer mit verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes GG ), nicht vereinbar sei.

    Zur Begründung führt der BFH aus, dass die Festschreibung der Wertverhältnisse auf den Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) nur sachgerecht und aus verfassungsrechtlicher Sicht hinnehmbar sei, wenn der Hauptfeststellungszeitraum eine angemessene Dauer nicht überschreite. Die über mehr als vier Jahrzehnte unveränderte Einheitsbewertung des Grundbesitzes verfehle insbesondere die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen an eine realitätsgerechte Bewertung. Auf unbegrenzte Dauer sei es auch nicht hinnehmbar, dass eine Wertminderung wegen Alters nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) ausgeschlossen werde. Ferner führe das jahrzehntelange Unterlassen einer flächendeckenden Grundstücksneubewertung zwangsläufig zu verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Defiziten beim Gesetzesvollzug, weil verfahrensrechtlich nicht sichergestellt werde, dass dem Finanzamt Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse bekannt werden.

    Verfassungsrechtlich geboten sei eine erneute Hauptfeststellung besonders im Beitrittsgebiet, wo die Wertverhältnisse auf den 1. Januar 1935 festgeschrieben seien. Der sich daraus ergebende gleichheitswidrige Zustand könne im Hinblick auf die verstrichene Zeit nicht mehr mit den Übergangsschwierigkeiten nach der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands gerechtfertigt werden.

    Donnerstag, Juli 22, 2010

    BGH zur USt bei Baugewährleistung

    Nr. 154/2010 Bundesgerichtshof ändert Rechtsprechung zur Berechnung eines Schadensersatzanspruches wegen eines Baumangels

    Der u. a. für das Baurecht zuständige VII. Zivilsenat hat neue Grundsätze aufgestellt, nach denen ein Schadensersatzanspruch wegen eines Baumangels zu berechnen ist.

    Der Beklagte errichtete im Auftrag der Kläger ein Einfamilienhaus. Es waren Mängel vorhanden, die der Beklagte trotz Aufforderung mit Fristsetzung nicht beseitigte. Für die Beseitigung der Mängel sind Aufwendungen in Höhe von 9.405,- € netto erforderlich. Die Parteien haben darüber gestritten, ob der Kläger als Schadensersatz, über den er frei verfügen kann und den er nicht zur Mängelbeseitigung verwenden muss, auch die Umsatzsteuer auf diesen Betrag verlangen kann, wenn er die Mängel noch nicht beseitigt hat.

    Das Berufungsgericht hat dies bejaht. Der Bundesgerichtshof hat in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Umsatzsteuer auf voraussichtliche Mängelbeseitigungsaufwendungen als Schadensersatz nicht verlangt werden kann, solange der Mangel nicht tatsächlich beseitigt worden ist. Diese Entscheidung ist im Lichte der gesetzlichen Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB* ergangen, die zwar auf Schadensersatzansprüche im Werkvertragsrecht nicht anwendbar ist, jedoch eine gesetzliche Wertung für vergleichbare Fälle enthält.

    Will der Auftraggeber den Bruttobetrag vor einer Mängelbeseitigung, so ist er im Werkvertragsrecht ausreichend dadurch geschützt, dass er einen auch die Umsatzsteuer umfassenden Vorschussanspruch gemäß § 637 Abs. 3 BGB** geltend machen kann, den er allerdings zur Mängelbeseitigung verwenden muss.

    Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 176/09
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  • BGH zum Kopplungsverbot Grundstückskauf u. Architekt

    Nr. 153/2010 Bundesgerichtshof zur Verfassungsmäßigkeit des Koppelungsverbotes

    Der u. a. für das private Bau- und Architektenrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Art. 10 § 3 MRVG*, der die Koppelung von Grundstückskaufverträgen mit Ingenieur- und Architektenverträgen für unwirksam erklärt, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

    Der Bundesgerichtshof hat die Revision gegen das diese Frage ebenfalls bejahende Urteil des Oberlandesgerichts zurückgewiesen.

    Er hat ausgeführt, das Koppelungsverbot verfolge den Zweck, die freie Wahl des Architekten durch den Bauwilligen allein nach Leistungskriterien und das typische Berufsbild des freien Architekten zu schützen sowie den Wettbewerb unter den Architekten zu fördern. Dabei handele es sich um wichtige Gemeinschaftsgüter. Sie rechtfertigten den mit dem Koppelungsverbot verbundenen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der freien Architekten und deren unterschiedliche Behandlung gegenüber anderen am Bau Beteiligten, so dass auch der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt sei. Ein Eingriff in das Grundrecht des Eigentums, Art. 14 Abs. 1 GG, liege ebenfalls nicht vor.

    Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 144/09
    LG Wuppertal - 19 O 29/06 - Urteil vom 5. Oktober 2006
    OLG Düsseldorf - 21 U 239/06 - Urteil vom 25. Juni 2009
    Karlsruhe, den 22. Juli 2010

    *Art. 10 § 3 MRVG: Unverbindlichkeit der Koppelung von Grundstückskaufver-trägen mit Ingenieur- und Architektenverträgen

    Eine Vereinbarung, durch die der Erwerber eines Grundstücks sich im Zusammenhang mit dem Erwerb verpflichtet, bei der Planung oder Ausführung eines Bauwerks auf dem Grundstück die Leistungen eines bestimmten Ingenieurs oder Architekten in Anspruch zu nehmen, ist unwirksam. Die Wirksamkeit des auf den Erwerb des Grundstücks gerichteten Vertrages bleibt unberührt.

    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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  • Mittwoch, Juli 14, 2010

    BGH zur "Kalten Räumung"

    Nr. 148/2010 Verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters bei "kalter" Wohnungsräumung

    Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zur Haftung des Vermieters bei eigenmächtiger Wohnungsräumung getroffen.

    Der Kläger war Mieter einer in Wiesbaden gelegenen Wohnung der Beklagten. Ab Februar 2005 war er für mehrere Monate mit unbekanntem Aufenthalt ortsabwesend und wurde von Verwandten als vermisst gemeldet. Nachdem die Mieten für die Monate März und April 2005 nicht gezahlt worden waren, kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis fristlos. Im Mai 2005 öffnete sie die Wohnung und nahm sie in Besitz. Hierbei entsorgte sie einen Teil der Wohnungseinrichtung; einen anderen Teil der vorgefundenen Sachen lagerte sie bei sich ein. Gestützt auf ein Sachverständigengutachten hat der Mieter für die ihm nach seiner Behauptung im Zuge der Räumung abhanden gekommenen, beschädigten oder verschmutzten Gegenstände Schadensersatz von rund 62.000 € zuzüglich der ihm entstandenen Gutachterkosten verlangt. Das Amtsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Mieters zurückgewiesen.

    Die dagegen gerichtete Revision des Mieters hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Vermieterin für die Folgen einer solchen Räumung haftet. Die nicht durch einen gerichtlichen Titel gedeckte eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen durch den Vermieter stellen eine unerlaubte Selbsthilfe (§ 229 BGB*) dar. Das gilt selbst dann, wenn der gegenwärtige Aufenthaltsort des Mieters unbekannt und ein vertragliches Besitzrecht des Mieters infolge Kündigung entfallen ist. Der Vermieter muss sich auch in diesen Fällen – gegebenenfalls nach öffentlicher Zustellung der Räumungsklage – einen Räumungstitel beschaffen und aus diesem vorgehen. Übt ein Vermieter stattdessen im Wege einer sogenannten "kalten" Räumung eine verbotene Selbsthilfe, ist er gemäß § 231 BGB** verschuldensunabhängig zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

    Von dieser Ersatzpflicht wird insbesondere eine eigenmächtige Entsorgung der in der Wohnung vorgefundenen Gegenstände erfasst. Denn den Vermieter, der eine Wohnung ohne Vorliegen eines gerichtlichen Titels in Besitz nimmt, trifft für die darin befindlichen Gegenstände eine Obhutspflicht. Da der Mieter von der Inbesitznahme seiner Wohnung nichts weiß und deshalb auch nicht in der Lage ist, seine Rechte selbst wahrzunehmen, gehört zu dieser Obhutspflicht des Vermieters weiter, dass er ein Bestandsverzeichnis aufstellt und den Wert der darin aufgenommenen Gegenstände feststellt. Kommt er dieser Pflicht nicht in ausreichendem Maße nach, muss er die Behauptung des Mieters widerlegen, dass bestimmte Gegenstände bei der Räumung abhanden gekommen oder beschädigt worden seien, und beweisen, dass sie einen geringeren Wert hatten als vom Mieter behauptet. Dies hat das Landgericht übersehen und dem Mieter rechtsirrig die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich Bestand und Zustand der in der geräumten Wohnung vorhandenen Gegenstände auferlegt.

    Darüber hinaus hat das Landgericht auch die an eine Schadensschätzung zu stellenden Anforderungen überspannt. Steht – wie im entschiedenen Fall – der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach fest und ist nur seine Höhe fraglich, darf die Klage grundsätzlich nicht vollständig abgewiesen werden. Das Gericht muss in diesem Fall vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilen, ob nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist. Das ist hier nicht geschehen. Die Sache ist daher an das Landgericht zurückverwiesen worden, damit die erforderlichen Feststellungen zum Bestand und zum Wert der im Zuge der Wohnungsräumung bei dem Kläger abhanden gekommenen oder beschädigten Gegenstände getroffen werden können.

    *§ 229 BGB: Selbsthilfe

    Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde.

    **§ 231 BGB: Irrtümliche Selbsthilfe

    Wer eine der im § 229 bezeichneten Handlungen in der irrigen Annahme vornimmt, dass die für den Ausschluss der Widerrechtlichkeit erforderlichen Voraussetzungen vorhanden seien, ist dem anderen Teil zum Schadensersatz verpflichtet, auch wenn der Irrtum nicht auf Fahrlässigkeit beruht.

    Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 45/09

    AG Wiesbaden -Urteil vom 15. Mai 2008 - 91 C 5169/06

    LG Wiesbaden - Urteil vom 21. Januar 2009 - 3 S 44/08

    Karlsruhe, den 14. Juli 2010

    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
    76125 Karlsruhe

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  • BGH: Unterbliebene PK-Zahlung kein Kündigungsgrund

    BGH Nr. 147/2010: Unterbliebene Zahlung der Prozesskosten eines früheren Räumungsprozesses durch den Mieter kein Kündigungsgrund

    Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass ein Vermieter einen Wohnraummietvertrag nicht deshalb kündigen kann, weil der Mieter die Prozesskosten eines früheren, auf Zahlungsverzug gestützten Räumungsprozesses nicht begleicht.

    Der Beklagte hat von der Klägerin eine Wohnung in Lüneburg angemietet. Die Miete wird jedenfalls zurzeit von der ARGE (Arbeitsgemeinschaft des kommunalen Trägers und der Agentur für Arbeit für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II) für den Mieter bezahlt. Im Dezember 2006 kündigte die Vermieterin wegen eines erheblichen Zahlungsrückstands das Mietverhältnis fristlos und erhob anschließend Räumungsklage. Innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB* wurden die Mietrückstände von der ARGE beglichen, so dass der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und dem Mieter die Prozesskosten auferlegt wurden. Der Mieter hat diese Kosten bislang nicht gezahlt. Im November 2008 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis erneut mit der Begründung, der Mieter habe seine Pflichten aus dem Mietverhältnis schuldhaft verletzt, indem er u. a. die aus dem ursprünglichen Räumungsprozess entstandenen Kosten nicht beglichen habe. Das Amtsgericht hat die Räumungsklage der Vermieterin abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

    Die dagegen gerichtete Revision der Vermieterin hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die unterbliebene Zahlung der in dem früheren Räumungsprozess angefallenen Prozesskosten weder eine ordentliche noch eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigt.

    Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Wohnraum nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB** nur dann ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, z. B. wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB**).

    Zwar verletzt der Mieter, der die ihm auferlegten Kosten aus einem früheren, auf Zahlungsverzug gestützten Räumungsprozess nicht begleicht, seine Pflichten aus dem Mietvertrag. Diese Pflichtverletzung erreicht jedoch nicht die vom Gesetz für eine Kündigung vorausgesetzte Erheblichkeitsschwelle. Denn bei der Beurteilung der Erheblichkeit darf die in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zum Ausdruck gekommene Wertung des Gesetzgebers nicht außer Acht gelassen werden. Nach der genannten Vorschrift wird eine auf Zahlungsverzug gestützte außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses aus wichtigem Grund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB***) unwirksam, wenn der Vermieter bis spätestens zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Ziel der Regelung ist es, die Obdachlosigkeit des Mieters zu vermeiden. Mit dieser Intention ist es nicht zu vereinbaren, wenn zwar die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs aufgrund einer von der Sozialhilfebehörde innerhalb der Schonfrist herbeigeführten Befriedigung des Vermieters unwirksam wird, jedoch dem Vermieter die Möglichkeit verbliebe, das Mietverhältnis gleichwohl erneut zu kündigen, weil der Mieter wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Prozesskosten des erledigten Räumungsrechtsstreits zu begleichen.

    Aus den gleichen Erwägungen stellt die unterbliebene Bezahlung der Prozesskosten auch keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB*** dar.

    *§ 569 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund



    (3) Ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gilt:

    1. …

    2. Die Kündigung wird auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. …

    ** § 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters

    (1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. …

    (2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

    1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,

    2. …

    ***§ 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

    (1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

    (2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

    1. …

    2. …

    3. der Mieter

    a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder

    b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

    Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.



    Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 267/09

    AG Lüneburg – Urteil vom 30. April 2009 – 12 C 636/08

    LG Lüneburg – Urteil vom 16. September 2009 – 6 S 62/09

    Karlsruhe, den 14. Juli 2010

    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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  • Mittwoch, Juli 07, 2010

    BGH zum Mietminderung im Altbau

    BGH-Pressemitteilung Nr. 138/2010
    Wohnraummiete: Zu den Voraussetzungen einer Mietminderung bei Problemen mit dem Schallschutz

    Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass ein Mieter ohne besondere vertragliche Regelung nicht erwarten kann, dass seine Wohnung einen Schallschutz aufweist, der über die Einhaltung der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN-Vorschriften hinausgeht.

    Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung der Kläger in einem in den Jahren 2001/2002 errichteten Mehrfamilienhaus in Bonn. Die Vermieter machen Mietrückstände für die Monate April 2006 bis einschließlich Dezember 2007 von insgesamt 1.701 € geltend. Um diesen Betrag (zehn Prozent der Bruttomiete) hatten die Beklagten die Miete unter anderem wegen Mängeln der Trittschalldämmung ihrer Wohnung zur darüberliegenden Wohnung gemindert.

    Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Mieter hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat angenommen, die Miete sei gemäß § 536 Abs. 1 BGB* zumindest um zehn Prozent der Bruttomiete gemindert, weil die Wohnung wegen nicht ausreichender Trittschalldämmung mangelhaft sei. Der Sachverständige habe eine Trittschallmessung durchführen lassen und festgestellt, dass zwar die Anforderungen der DIN 4109 (1989) erfüllt seien. Hierbei handele es sich jedoch um den reinen Norm-Schallschutz, der allgemein nicht der Qualität mittlerer Art und Güte entspreche.

    Die dagegen gerichtete Revision der Vermieter hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat einen Mangel der Wohnung wegen nicht ausreichender Trittschalldämmung verneint. Mehr als die Einhaltung der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN 4109 zum Schallschutz konnten die Beklagten als Mieter nicht erwarten.

    Fehlen – wie im entschiedenen Fall – vertragliche Vereinbarungen zur Beschaffenheit einer Wohnung, kann der Mieter erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen. Gibt es zu bestimmten Anforderungen an den Wohnstandard technische Normen, so ist (jedenfalls) deren Einhaltung vom Vermieter geschuldet. Dabei ist grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen.

    Die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des für das Werkvertragsrecht zuständigen VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, nach der für eine im Jahr 1997 fertig gestellte Doppelhaushälfte der hierfür geltende Teil der Normen der DIN 4109 nach dem Stand von 1989 nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche, lässt sich nicht auf das Wohnraummietrecht übertragen. Im Mietverhältnis sind in erster Linie die konkreten vertraglichen Vereinbarungen der Parteien über die Sollbeschaffenheit der Wohnung maßgeblich, die vom Vermieter bei Übergabe einzuhalten und über die ganze Mietzeit aufrechtzuerhalten ist, und nicht die Einhaltung bestimmter technischer Normen bei Übergabe wie bei einem Bauwerk. Darüber hinaus hat der Vermieter - anders als der Bauunternehmer - während der gesamten Zeit des Mietverhältnisses für Sachmängel Gewähr zu leisten, ohne dass er in der Regel auf die tatsächliche bauliche Beschaffenheit Einfluss hat.

    *§ 536 BGB: Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln

    (1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

    Urteil vom 7. Juli 2010 – VIII ZR 85/09
    AG Bonn - Urteil vom 27. Februar 2008 – 10 C 288/06
    LG Bonn - Urteil vom 5. März 2009 – 6 S 84/08
    Karlsruhe, den 7. Juli 2010
    Pressestelle des Bundesgerichtshofs

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  • BGH zur Mietermodernisierung und Mieterhöhrung

    Nr. 140/2010 Bundesgerichtshof zur Berücksichtigung von Wohnwertverbesserungen durch den Wohnungsmieter bei einer Mieterhöhung

    Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass Wohnwertverbesserungen, die ein Wohnungsmieter vorgenommen und finanziert hat, bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Rahmen von Mieterhöhungsverlangen im Regelfall nicht zu berücksichtigen sind.

    Der Beklagte des vom Bundesgerichtshof entschiedenen Rechtsstreits ist seit 1976 Mieter einer Wohnung in Hamburg. Aufgrund einer im Mietvertrag enthaltenen Verpflichtung baute er in die Wohnung auf eigene Kosten ein Bad und eine Sammelheizung ein. Im Februar 2008 verlangte die Vermieterin Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettomiete von 450,28 € auf 539,95 € monatlich. Zur Begründung nahm sie auf den Mietspiegel der Stadt Hamburg Bezug und ordnete die Wohnung in das Rasterfeld C 4 ein. Dieses Rasterfeld bezieht sich auf Wohnungen mit normaler Wohnlage, Baujahr bis Ende des Jahres 1918 und einer Ausstattung mit Bad und Sammelheizung. In drei vorangegangenen Mieterhöhungsverlangen seit 1992 hatte die Vermieterin dagegen auf die ortsübliche Vergleichmiete für Wohnungen ohne Bad und Sammelheizung abgestellt. Das Amtsgericht hat der Klage der Vermieterin auf Zustimmung zur Erhöhung der Nettomiete auf 539,95 € monatlich ab 1. Mai 2008 stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung des Mieters zurückgewiesen.

    Die dagegen gerichtete Revision des Mieters hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 BGB*) für die Wohnung des Beklagten anhand vergleichbarer Wohnungen zu ermitteln ist, die nicht mit Bad und Sammelheizung ausgestattet sind. Wohnwertverbesserungen, die der Mieter vorgenommen und finanziert hat, sind bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht zu berücksichtigen, wenn nicht die Parteien etwas anderes vereinbart haben oder der Vermieter dem Mieter die verauslagten Kosten erstattet hat. Die vom Mieter auf eigene Kosten geschaffene Wohnwertverbesserung bleibt bei der Ermittlung der Vergleichsmiete auch dann unberücksichtigt, wenn sie – wie hier – auf einer vertraglichen Verpflichtung beruht. Anderenfalls müsste der Mieter die Ausstattung seiner Wohnung im Ergebnis doppelt bezahlen, zunächst beim Einbau entsprechend der vertraglichen Verpflichtung und später nochmals durch eine auch auf diese Ausstattung gestützte Mieterhöhung.

    Die Sache ist an das Landgericht zurückverwiesen worden, damit festgestellt werden kann, wie hoch die ortsübliche Vergleichsmiete für die betroffene Wohnung ohne Berücksichtigung von Bad und Heizung ist.

    *§ 558 BGB: Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete

    (1) Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Das Mieterhöhungsverlangen kann frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht werden. Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 werden nicht berücksichtigt.

    (2) Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 abgesehen, geändert worden sind. Ausgenommen ist Wohnraum, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist.

    (…)

    Urteil vom 7. Juli 2010 – VIII ZR 315/09
    AG Hamburg-Altona - Urteil vom 30. Januar 2009 - 315b C 129/08
    LG Hamburg - Urteil vom 27. November 2009 - 311 S 35/09
    Karlsruhe, den 7. Juli 2010
    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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  • Mittwoch, Juni 23, 2010

    BGH: Falsche Wohnflächenangaben in Inseraten

    Nr. 128/2010 Mietminderung bei Wohnflächenunterschreitung:

    Vereinbarung der Wohnfläche durch Absprachen im Vorfeld des Vertragsschlusses

    Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass ein Mangel einer Mietwohnung aufgrund einer Flächenabweichung auch dann vorliegen kann, wenn der schriftliche Mietvertrag keine Angaben zu der Wohnfläche enthält.

    In dem entschiedenen Fall mietete die Klägerin vom Beklagten eine Dachgeschosswohnung in Mannheim. Der schriftliche Mietvertrag enthält keine Angaben zur Größe der Wohnung, diese sind in dem verwendeten Vordruck auch nicht vorgesehen. Die Wohnung war von einer Immobilienmaklerin mit folgender Annonce in der Zeitung angeboten worden: "MA-Waldhof, 3 ZKB-DG, Balkon, ca. 76 m², Parkett, EBK, DM 890,- + NK". Vor Abschluss des Mietvertrages wurden der Mieterin eine Grundrissskizze sowie eine detaillierte Wohnflächenberechnung übergeben, in der die Gesamtgröße der Wohnung mit 76,45 Quadratmetern ausgewiesen wird. Die Mieterin hat mit der Begründung, die Wohnung habe lediglich eine Wohnfläche von 53,25 Quadratmetern, unter anderem die Rückzahlung überzahlter Miete geltend gemacht. Das Amtsgericht hat der Zahlungsklage teilweise stattgegeben. Das Landgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen.

    Die dagegen gerichtete Revision der Mieterin hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass angesichts der Geschehnisse bis zur Unterzeichnung des Mietvertrages alleine dem Fehlen von Angaben zur Wohnungsgröße in dem Vertragstext, die dort auch nicht vorgesehen waren, nicht entnommen werden kann, dass sich die Parteien bei Abschluss des Vertrages bezüglich der Wohnfläche nicht vertraglich binden wollten. Die vom Berufungsgericht festgestellten Gesamtumstände lassen vielmehr darauf schließen, dass die Parteien den schriftlichen Vertrag in der beiderseitigen, dem jeweiligen Vertragspartner erkennbaren Vorstellung geschlossen haben, die Wohnung weise die zuvor angegebene Wohnfläche auf. Dies begründet eine konkludente Vereinbarung über die Wohnungsgröße. Liegt – wie im entschiedenen Fall – eine Wohnflächenunterschreitung um mehr als zehn Prozent vor, führt dies zu einer Mietminderung gemäß § 536 BGB* (st. Rspr.; vgl. zuletzt Urteil vom 10. März 2010 – VIII ZR 144/09, Pressemitteilung Nr. 53/2010).

    Die Sache ist an das Landgericht zurückverwiesen worden, weil weitere Feststellungen unter anderem zu einer vom Vermieter zur Aufrechnung gestellten Betriebskostennachforderung zu treffen sind.

    *§ 536 BGB: Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln

    Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

    Urteil vom 23. Juni 2010 – VIII ZR 256/09
    AG Mannheim - Urteil vom 7. November 2007 – 17 C 460/06
    LG Mannheim - Urteil vom 24. September 2008 – 4 S 189/07
    Karlsruhe, den 23. Juni 2010
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  • Mittwoch, Juni 16, 2010

    BGH zu Mietspiegel und Mieterhöhung

    Nr. 122/2010 Bundesgerichtshof zur Verwendung von Mietspiegeln bei Mieterhöhungen

    Der Bundesgerichtshof hat heute über eine Mieterhöhungsklage entschieden, bei der der Vermieter sein Verlangen auf einen für die Nachbarstadt erstellten Mietspiegel gestützt hat, der von dem örtlichen Mieterverein, dem örtlichen Haus- und Gründeigentümerverein sowie dem Bürgermeisteramt gemeinsam erstellt worden ist.

    Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung des Klägers in Backnang. Mit der Klage verlangt der Vermieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung um 76,69 € monatlich. Der Berechnung der Mieterhöhung hat der Vermieter den Mietspiegel der Nachbarstadt Schorndorf zugrunde gelegt und dies damit begründet, dass es sich dabei um eine mit Backnang vergleichbare Gemeinde handele. Das Amtsgericht hat der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und unter Verwertung des Mietspiegels für Schorndorf stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung des Mieters zurückgewiesen.

    Die dagegen gerichtete Revision des Mieters hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Vermieter sein Mieterhöhungsverlangen ordnungsgemäß nach § 558a BGB* begründet hat. Die Bezugnahme auf den Mietspiegel der Nachbarstadt Schorndorf war ausreichend, weil für die Stadt Backnang kein Mietspiegel erstellt worden ist und weil beide Städte, wie der Sachverständige ausgeführt hat, unter anderem im Hinblick auf das Mietniveau vergleichbar sind.

    Der Bundesgerichtshof hat weiter entschieden, dass auch nach Einführung des qualifizierten Mietspiegels (§ 558d*** BGB) durch das Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 ein einfacher Mietspiegel (§ 558c BGB**) alleinige Grundlage der dem Gericht obliegenden Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete sein kann. Zwar kommt dem einfachen Mietspiegel nicht die dem qualifizierten Mietspiegel vorbehaltene gesetzliche Vermutungswirkung dahingehend zu, dass die im Mietspiegel genannten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben (§ 558d Abs. 3 BGB). Der einfache Mietspiegel stellt aber ein Indiz für diese Annahme dar. Das gilt auch dann, wenn der einfache Mietspiegel, wie im entschiedenen Fall, nicht von der Gemeinde, sondern gemeinsam von Interessenvertretern der Mieter und Vermieter erstellt wurde. Ob diese Indizwirkung im Einzelfall zum Nachweis der Ortsüblichkeit der verlangten Miete ausreicht, hängt davon ab, welche Einwendungen der Mieter gegen den Erkenntniswert des Mietspiegels erhebt. Trägt er etwa substantiiert vor, den Verfassern habe es an der erforderlichen Sachkunde gefehlt oder sie hätten sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder unzureichendes Datenmaterial verwendet, muss das Gericht dem nachgehen. Bleiben danach Zweifel an der Verlässlichkeit des Mietspiegels, so ist die Indizwirkung erschüttert. Der Vermieter muss dann anderweit Beweis für seine Behauptung antreten, die von ihm verlangte Miete liege innerhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete.

    Im entschiedenen Fall hat der Mieter jedoch keine Einwendungen erhoben, durch die die Indizwirkung des – einfachen – Mietspiegels für Schorndorf erschüttert worden ist. Das Landgericht hat sich somit zu Recht auf diesen Mietspiegel gestützt und die Ortsüblichkeit der vom Vermieter verlangten Miete festgestellt.

    *§ 558a BGB: Form und Begründung der Mieterhöhung

    (1) Das Mieterhöhungsverlangen nach § 558 ist dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen.

    (2) Zur Begründung kann insbesondere Bezug genommen werden auf

    1. einen Mietspiegel (§§ 558c, 558d),

    2. eine Auskunft aus einer Mietdatenbank (§ 558e),

    3. ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen,

    4. entsprechende Entgelte für einzelne vergleichbare Wohnungen; hierbei genügt die Benennung von drei Wohnungen.



    **§ 558c BGB: Mietspiegel

    (1) Ein Mietspiegel ist eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, soweit die Übersicht von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist.

    (2) Mietspiegel können für das Gebiet einer Gemeinde oder mehrerer Gemeinden oder für Teile von Gemeinden erstellt werden.

    (3) Mietspiegel sollen im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung angepasst werden.

    (4) Gemeinden sollen Mietspiegel erstellen, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht und dies mit einem vertretbaren Aufwand möglich ist. Die Mietspiegel und ihre Änderungen sollen veröffentlicht werden.



    ***§ 558d BGB: Qualifizierter Mietspiegel

    (1) Ein qualifizierter Mietspiegel ist ein Mietspiegel, der nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist.

    (2) Der qualifizierte Mietspiegel ist im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung anzupassen. Dabei kann eine Stichprobe oder die Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindexes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland zugrunde gelegt werden. Nach vier Jahren ist der qualifizierte Mietspiegel neu zu erstellen.

    (3) Ist die Vorschrift des Absatzes 2 eingehalten, so wird vermutet, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben.

    Urteil vom 16. Juni 2010 – VIII ZR 99/09
    AG Backnang - Urteil vom 14. März 2008 – 4 C 581/07
    LG Stuttgart - Urteil vom 25. März 2009 – 5 S 123/08
    Karlsruhe, den 16. Juni 2010
    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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  • Mittwoch, Juni 09, 2010

    BGH zu Schönheitsreparaturen durch Mieter

    Nr. 115/2010


    Wohnungsmieter muss die Möglichkeit haben, Schönheitsreparaturen in Eigenleistung durchzuführen

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute entschieden, dass eine Klausel in einem Wohnraummietvertrag wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam ist, wenn dem Mieter durch die Klausel die Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auferlegt wird, ohne dass ihm die Möglichkeit zur Vornahme dieser Arbeiten in Eigenleistung offen steht.

    Die Beklagten waren bis September 2007 Mieter einer Wohnung der klagenden Wohnungsbaugesellschaft in München. Zu den Schönheitsreparaturen enthält der Mietvertrag folgende Bestimmungen:

    "Der Mieter ist verpflichtet, die Schönheitsreparaturen, wie z.B. das Kalken, Anstreichen oder Tapezieren der Wände und Decken, das Streichen und die Behandlung der Fußböden, der Fenster und der Türen, in der Wohnung ausführen zu lassen, (…)"

    Die Klägerin begehrt unter anderem Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen in Höhe von 7.036,35 €. Das Amtsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Vermieterin zurückgewiesen.

    Die dagegen gerichtete Revision der Vermieterin hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Mieter nicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen verpflichtet waren. Die im entschiedenen Fall verwendete Klausel zu den Schönheitsreparaturen kann aufgrund ihres Wortlauts ("ausführen zu lassen") jedenfalls auch dahin verstanden werden, dass der Mieter unter Ausschluss der Möglichkeit einer Selbstvornahme die Arbeiten durch einen Fachhandwerker ausführen lassen muss. In dieser hier maßgeblichen – "kundenfeindlichsten" – Auslegung hält die Klausel einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB nicht stand.

    Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die formularvertragliche Überwälzung der nach dem Gesetz dem Vermieter obliegenden Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auf den Mieter grundsätzlich zulässig. Allerdings hat der Bundesgerichtshof zugleich darauf hingewiesen, dass die zur Verkehrssitte gewordene Praxis einer Überwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter auch dadurch geprägt ist, dass der Mieter die ihm übertragenen Schönheitsreparaturen in Eigenleistung ausführen kann. Wird dem Mieter die Möglichkeit einer Vornahme der Schönheitsreparaturen in Eigenleistung – gegebenenfalls durch Hinzuziehung von Verwandten und Bekannten – genommen, stellt die Überwälzung dieser Arbeiten eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar. Denn Schönheitsreparaturen sind – gleich ob sie der Mieter oder der Vermieter durchführen muss – lediglich fachgerecht in mittlerer Art und Güte auszuführen. Das setzt aber nicht zwingend die Beauftragung einer Fachfirma voraus.

    Urteil vom 9. Juni 2010 – VIII ZR 294/09
    AG München - Urteil vom 9. Dezember 2008 - 453 C 4014/08
    LG München I - Urteil vom 30. September 2009 - 15 S 6274/09
    (veröffentlicht in NJW 2010, 161)
    Karlsruhe, den 9. Juni 2010
    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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  • Mittwoch, Mai 26, 2010

    BFH: Zweitwohnungsteuer für Studentenwohnung in Berlin

    Nr. 46 vom 26. Mai 2010 Urteil vom 17.02.10 II R 5/08

    Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 17. Februar 2010 II R 5/08 entschieden, dass Inhaber einer Zweitwohnung in Berlin auch dann zur Zahlung von Zweitwohnungsteuer verpflichtet sind, wenn an der Erstwohnung keine Verfügungsbefugnis besteht. Der entschiedene Fall betraf einen Studenten, der an seinem Nebenwohnsitz in Berlin ein Zimmer in einem Studentenheim bewohnte. An seinem Hauptwohnsitz stand dem Studenten sein ehemaliges Kinderzimmer in der elterlichen Wohnung zur Verfügung.

    Nach dem Berliner Zweitwohnungsteuergesetz gilt sowohl für die Erst- oder Hauptwohnung als auch für die Zweit- oder Nebenwohnung der melderechtliche Wohnungsbegriff, wonach Wohnung jeder umschlossene Raum ist, der zum Wohnen und Schlafen benutzt wird. Die Zweitwohnungsteuerpflicht setzt daher nicht voraus, dass der Inhaber der Zweitwohnung auch Inhaber einer Erstwohnung mit eigener Verfügungsbefugnis ist.

    Der Einbeziehung von Wohnungen in die Zweitwohnungsteuer, die aus Ausbildungsgründen bewohnt werden, steht nach Auffassung des BFH auch der Charakter der Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer nicht entgegen. Für die Zweitwohnungsteuer ist allein entscheidend, dass mit der Erstwohnung das Grundbedürfnis Wohnen als Teil des persönlichen Lebensbedarfs abgedeckt wird.

    Mittwoch, Mai 12, 2010

    BGH zu Betriebskosten-Widersprüchen

    Nr. 103/2010 Einwendungen des Wohnungsmieters gegen Betriebskostenabrechnungen müssen für jedes Abrechnungsjahr neu geltend gemacht werden

    Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass ein Wohnungsmieter eine Einwendung gegen eine vom Vermieter erstellte Betriebskostenabrechnung auch dann innerhalb der dafür vorgesehenen Zwölf-Monats-Frist erheben muss, wenn er die der Sache nach gleiche Einwendung schon gegenüber früheren Betriebskostenabrechnungen geltend gemacht hat.

    Der Kläger verlangt von den Beklagten, seinen Mietern, die Nachzahlung von Betriebskosten. Im Oktober 2004 hatte der Vermieter eine Betriebskostenabrechung für das Jahr 2003 erstellt, in der er unter anderem die Grundsteuer anteilig auf die Mieter umgelegt hatte. Dagegen wandten die Mieter unter anderem ein, dass sie gemäß der mietvertraglichen Vereinbarung nicht zur Übernahme dieser Kosten verpflichtet seien. Auch im Hinblick auf die im November 2005 erstellte Betriebskostenabrechung für das Jahr 2004 machten die Mieter unter anderem diesen Einwand geltend. Schließlich erstellte der Vermieter im Dezember 2006 eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2005, in der er erneut die Grundsteuer anteilig auf die Mieter umlegte. Zu dieser Abrechnung äußerten sich die Mieter nicht.

    Mit der Klage hat der Vermieter die danach noch offen stehenden Nachforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2003 bis 2005 - insgesamt rund 800 € - geltend gemacht. Das Amtsgericht hat die Klage hinsichtlich der Jahre 2003 und 2004 mit der Begründung abgewiesen, dass die Grundsteuer, wie die Auslegung des Mietvertrags ergebe, nicht umlagefähig sei. Hinsichtlich des Jahres 2005 hat das Amtsgericht die Mieter zur Zahlung des noch offenen Betrages von rund 270 € verurteilt, weil die Beklagten es versäumt hätten, gegen die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2005 innerhalb der gesetzlichen Frist Einwendungen geltend zu machen. Die dagegen gerichtete Berufung der Mieter hat das Landgericht zurückgewiesen.

    Die Revision der Mieter hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine erneute Beanstandung der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2005 hinsichtlich der auf die Beklagten anteilig umgelegten Grundsteuer nicht deshalb entbehrlich war, weil die Beklagten bereits gegenüber den Betriebskostenabrechnungen für die vorangegangenen Jahre 2003 und 2004 jeweils fristgerecht eingewandt hatten, dass sie die Erstattung anteiliger Grundsteuer nicht schuldeten. Nach § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB* muss der Mieter eine Einwendung, die er gegenüber einer Betriebskostenabrechnung für ein bestimmtes Jahr erheben will, dem Vermieter innerhalb von zwölf Monaten ab Zugang dieser Abrechnung mitteilen. Die Beanstandung einer früheren Betriebskostenabrechnung macht eine solche Mitteilung grundsätzlich auch dann nicht entbehrlich, wenn es sich der Sache nach um die gleiche Einwendung handelt. Ziel des Gesetzes ist es, durch Fristablauf Klarheit über die Ansprüche aus der Betriebskostenabrechnung für ein bestimmtes Jahr zu erlangen. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn aufgrund der Beanstandung einer früheren Abrechnung nicht mehr zu verlangen wäre, dass eine spätere Abrechnung innerhalb der für diese Abrechnung laufenden Frist (erneut) beanstandet wird. Die erneute Geltendmachung einer gegenüber einer früheren Betriebskostenabrechnung bereits erhobenen Einwendung innerhalb der für das spätere Abrechnungsjahr laufenden Frist ist daher geboten, um das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel der Rechtssicherheit durch Fristablauf zu erreichen.

    *§ 556 BGB: Vereinbarungen über Betriebskosten

    (1) 1Die Vertragsparteien können vereinbaren, dass der Mieter Betriebskosten trägt. 2Betriebskosten sind die Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten durch das Eigentum oder das Erbbaurecht am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. …

    (2) …

    (3) 1Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen; dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. 2Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. 3Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. 4Der Vermieter ist zu Teilabrechnungen nicht verpflichtet. 5Einwendungen gegen die Abrechnung hat der Mieter dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. 6Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten.

    (4) …

    Urteil vom 12. Mai 2010 – VIII ZR 185/09
    AG Mannheim - Urteil vom 17. Dezember 2008 – 8 C 245/08
    LG Mannheim - Urteil vom 3. Juni 2009 – 4 S 17/09
    Karlsruhe, den 12. Mai 2010
    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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  • BGH zu Anforderungen bei fristloser Kündigung

    Nr. 102/2010 Bundesgerichtshof zu den Begründungsanforderungen bei fristloser Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses

    Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zu den Begründungsanforderungen bei fristloser Kündigung wegen Zahlungsverzugs eines Wohnungsmieters in einem Fall getroffen, in dem der Zahlungsrückstand über mehrere Jahre mit schwankenden Monatsbeträgen aufgelaufen war.

    Die Vermieterin hat die Beklagten, ihre Mieter, auf Räumung einer Wohnung in Leipzig in Anspruch genommen. Die Mieter hatten von März 2004 bis einschließlich Oktober 2007 überwiegend nur eine geminderte Miete gezahlt. Nachdem die Vermieterin, die die Minderungen in der geltend gemachten Höhe nicht hinnimmt, im März 2007 zur Zahlung eines Mietrückstandes von 5.023,80 € aufgefordert hatte, kündigte sie das Mietverhältnis mit Schreiben vom 21. Mai 2007 wegen Zahlungsverzugs fristlos. Hierbei listete sie für den Zeitraum von Mai 2004 bis April 2007 die aus ihrer Sicht bestehenden Rückstände in Bezug auf die Kaltmiete und die Vorauszahlungen jeweils monatsbezogen auf und errechnete für die Kaltmiete einen Gesamtrückstand von 5.303,27 € sowie für die Vorauszahlungen von 2.038,80 €.

    Das Amtsgericht hat die fristlose Kündigung wegen Verstoßes gegen die Begründungspflicht des § 569 Abs. 4 BGB* für unwirksam gehalten und die Räumungsklage der Vermieterin abgewiesen. Das Landgericht ist demgegenüber zu dem Ergebnis gelangt, dass das Mietverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 21. Mai 2007 beendet worden sei, und hat die Mieter zur Räumung verurteilt.

    Die dagegen gerichtete Revision der Mieter hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die fristlose Kündigung vom 21. Mai 2007 den Begründungsanforderungen des § 569 Abs. 4 BGB* gerecht wird und deshalb nicht unwirksam ist. Zweck der Vorschrift ist es, dem Mieter die Erkenntnis zu ermöglichen, auf welche Vorgänge oder auf welches Verhalten der Vermieter die fristlose Kündigung stützt und ob oder wie er sich hiergegen verteidigen kann. Von diesem Zweck ausgehend hat der Bundesgerichtshof für einfache Fallgestaltungen bereits früher entschieden, dass es ausreicht, wenn der Vermieter den Zahlungsverzug als Kündigungsgrund angibt und den Gesamtbetrag der rückständigen Miete beziffert.

    Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof nun für Fallgestaltungen weiter entwickelt, in denen der Vermieter – wie im entschiedenen Fall – die Kündigung auch auf frühere Rückstände stützt. In solchen Fällen genügt es zur formellen Wirksamkeit der Kündigung, dass der Mieter anhand der Begründung des Kündigungsschreibens erkennen kann, von welchem Mietrückstand der Vermieter ausgeht, um mit Hilfe dieser Angaben die Kündigung eigenständig auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen zu können. Diesen Anforderungen wird die im entschiedenen Fall ausgesprochene Kündigung vom 21. Mai 2007 gerecht.

    § 543 BGB: Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

    (1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. …

    (2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

    1. …

    2. …

    3. der Mieter

    a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder

    b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.



    * § 569 BGB: Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund [Sondervorschrift für Wohnraummietverhältnisse]



    (4) Der zur Kündigung führende wichtige Grund ist in dem Kündigungsschreiben anzugeben.



    Urteil vom 12. Mai 2010 – VIII ZR 96/09
    AG Leipzig, Urteil vom 30. Juni 2008 - 167 C 5138/07
    LG Leipzig, Urteil vom 18. März 2009 - 1 S 372/08
    Karlsruhe, den 12. Mai 2010
    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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  • Mittwoch, April 21, 2010

    BGH zum Austausch von Wasserzählern

    Nr. 82/2010
    Bundesgerichtshof zum Anspruch auf Austausch von Wasserzählern gegenüber einem Wasserversorgungsunternehmen

    Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass Wasserversorgungsunter-nehmen gehalten sind, eine Ermessensentscheidung zu treffen, ob ein Austausch eines Wasserzählers im Interesse des Kunden vorzunehmen ist, wenn sich der technische Standard in einem wesentlichen Maße ändert und beachtenswerte Interessen des Kunden geltend gemacht werden.

    Die Klägerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, verlangt von dem beklagten Wasserversorgungsunternehmen den Austausch eines Wasserzählers. Die Beklagte versorgt die Wohnungseigentumsanlage der Klägerin seit Jahren mit Wasser und entsorgt das Abwasser. Bei der Wohnungseigentumsanlage handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus mit 21 Wohnungen. Das Versorgungsunternehmen hat als Entnahmearmatur einen Wasserzähler der Größe Qn 6 (mit einem Nenndurchfluss von 6 m³/h) eingebaut. Im Januar 2007 bat die Klägerin um einen Einbau eines Wasserzählers Qn 2,5 (mit einem Nenndurchfluss von 2,5 m³/h). Dies lehnte das Versorgungsunternehmen mit der Begründung ab, dass es dadurch zu Beeinträchtigungen der Versorgung nach Menge und Druck kommen könne. Nach dem ab 1. Januar 2007 gültigen Preisblatt des Versorgungsunternehmens beträgt der Grundpreis für die Bereitstellung des Wassers bei Wasserzählern mit einer Nennleistung von 2,5 m³/h ab 401 m³ pro Jahr 29,50 € netto pro Monat. Bei Wasserzählern mit einer Nennleistung bis Qn 6 beträgt der Grundpreis für die Bereitstellung des Wassers ab 501 m³ pro Jahr 68 € netto pro Monat. Im erstgenannten Fall beträgt der Servicepreis für Schmutzwasser 15 € pro m³ und im letztgenannten Fall 36 € pro m³.

    Die Klägerin meint, vor dem Hintergrund der mehr als 130 Prozent höheren Kosten beim Einbau eines Zählers Qn 6 hätte die Beklagte bei Ausübung ihres Ermessens nach § 18 AVBWasserV* einen Zähler der Größe Qn 2,5 einbauen müssen. Mit der Klage hat die Klägerin verlangt, den Wasserzähler Qn 6 durch einen Wasserzähler Qn 2,5 zu ersetzen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

    Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil auf die Revision der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgehoben. Denn nach derzeitigem Stand hat die Beklagte mit der Verweigerung des Einbaus eines Wasserzählers der Dimensionierung Qn 2,5 ihr Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 und 4 AVBWasserV* nicht ermessensfehlerfrei ausgeübt.

    In dem Vertragsverhältnis der Parteien bestehen Schutz- und Rücksichtnahme-pflichten. Aus diesen folgt ein Anspruch auf erneute Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts jedenfalls dann, wenn sich der technische Standard, der einen Einfluss auf die Auswahl der Messgeräte hat, in einem wesentlichen Maße ändert und beachtenswerte Interessen des Kunden geltend gemacht werden. Ein solches Interesse ist hier insbesondere darin zu sehen, dass der Grund- und Servicepreis für die Leistungen der Beklagten und damit die Kostenbelastung des Kunden von der Dimensionierung des Wasserzählers abhängen. Das Wasserversorgungsunternehmen ist danach gehalten, eine neue Ermessens-entscheidung zu treffen, ob ein Austausch des Wasserzählers unter Berücksich-tigung des aktuellen Standes der Technik im Interesse des Kunden vorzunehmen ist. Das Landgericht hat zu Unrecht eine fehlerfreie Ermessensentscheidung des Versorgungsunternehmens angenommen. Es hat insbesondere keine ausreichenden Feststellungen zum aktuellen Stand der Technik getroffen.

    Die Sache ist an das Landgericht zurückverwiesen worden, damit nähere Feststellungen dazu getroffen werden können, ob ein Wasserzähler Qn 2,5 in der Wohnanlage der Klägerin dem Stand der Technik entspricht.

    *§ 18 AVBWasserV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser )



    (2) 1Das Wasserversorgungsunternehmen hat dafür Sorge zu tragen, daß eine einwandfreie Messung der verbrauchten Wassermenge gewährleistet ist. 2Es bestimmt Art, Zahl und Größe sowie Anbringungsort der Meßeinrichtungen. 3Ebenso ist die Lieferung, Anbringung, Überwachung, Unterhaltung und Entfernung der Meßeinrichtungen Aufgabe des Unternehmens. 4Es hat den Kunden und den Anschlußnehmer anzuhören und deren berechtigte Interessen zu wahren. 5Es ist verpflichtet, auf Verlangen des Kunden oder des Hauseigentümers die Meßeinrichtungen zu verlegen, wenn dies ohne Beeinträchtigung einer einwandfreien Messung möglich ist; der Kunde oder der Hauseigentümer ist verpflichtet, die Kosten zu tragen.

    Urteil vom 21. April 2010 – VIII ZR 97/09
    AG Leipzig, Urteil vom 2. November 2007 – 118 C 6257/07
    LG Leipzig, Urteil vom 26. März 2009 – 1 S 636/07
    Karlsruhe, den 21. April 2010
    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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  • BGH zur Opfergrenze bei Mängelbeseitigungsanspruch

    BGH-Presseerklärung Nr. 83/2010

    Bundesgerichtshof zum Mängelbeseitigungsanspruch des Mieters und zum Erreichen der "Opfergrenze" für den Vermieter

    Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung in einem Fall getroffen, in dem die Mieterin eines Einfamilienhauses von der Vermieterin die Zahlung eines hohen Kostenvorschusses für die Beseitigung erheblicher Mängel des Hauses verlangt. Die Vermieterin meint, sie sei zur Beseitigung der Mängel nicht verpflichtet, weil der dazu erforderliche Aufwand die "Opfergrenze" überschreite.

    Die Klägerin verlangt von ihrer Vermieterin die Zahlung eines Kostenvorschusses für die Beseitigung von Mängeln an dem von ihr seit 1988 gemieteten Einfamilienhaus in Dresden. Sie beziffert die Kosten für die Beseitigung der an den Innen- und Außenwänden des Hauses vorhandenen Risse sowie für die Beseitigung von weiteren Schäden auf 47.500 €. Diesen Betrag macht sie mit der Klage geltend. Die Vermieterin wendet ein, dass die Kosten mindestens doppelt so hoch seien und ihr eine Beseitigung der Mängel im Hinblick darauf, dass der Verkehrswert des Hauses nur bei 28.000 € liege, nicht zumutbar sei.

    Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Vermieterin antragsgemäß verurteilt und dies damit begründet, dass die Mieterin gemäß § 536a BGB* Anspruch auf einen zweckgebundenen Vorschuss in Höhe der zu erwartenden Mangelbeseitigungskosten habe.

    Die dagegen gerichtete Revision der Vermieterin hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Voraussetzungen für den geltend gemachten Vorschussanspruch schon deshalb gegenwärtig nicht erfüllt sind, weil die von der Mieterin beabsichtigten Reparaturen zwecklos sind, solange nicht die Ursachen der Rissbildung erforscht und beseitigt worden sind. Zwecklose Maßnahmen sind ungeeignet und damit nicht erforderlich im Sinne des § 536a Abs. 2 BGB.

    Auch die weiteren Ausführungen des Landgerichts sind als fehlerhaft beanstandet worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs endet die Verpflichtung des Vermieters zur Beseitigung eines Mangels dort, wo der dazu erforderliche Aufwand die "Opfergrenze" überschreitet. Wann diese Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist, muss von Fall zu Fall wertend ermittelt werden. Erforderlich ist dabei eine Würdigung aller Umstände. Es darf kein krasses Missverhältnis entstehen zwischen dem Reparaturaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie dem Wert des Mietobjekts andererseits. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang unterstellt, dass einem aktuellen Verkehrswert des Hauses von 28.000 € Sanierungskosten in Höhe von mindestens 95.000 € gegenüber stehen und damit jedenfalls rechnerisch ein grobes Missverhältnis zwischen dem behaupteten Verkehrswert und der behaupteten Höhe der Sanierungskosten vorliegt. Es hat jedoch angenommen, dass die Beklagte sich aufgrund der Umstände des Falles auf das - zu unterstellende - Missverhältnis nach Treu und Glauben nicht berufen könne. Diese Annahme ist aber nach den bisherigen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts nicht gerechtfertigt.

    Die Sache ist an das Landgericht zurückverwiesen worden, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können, ob die von der Mieterin beabsichtigten Reparaturen zur nachhaltigen Mangelbeseitigung geeignet sind, wie sich das Verhältnis von Sanierungskosten und Verkehrswert der Immobilie tatsächlich darstellt und ob es der Vermieterin unter Berücksichtigung dieser und der weiteren Umstände zugemutet werden kann, die Mängel zu beseitigen.

    *§ 536a BGB: Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels

    (1) Ist ein Mangel im Sinne des § 536 bei Vertragsschluss vorhanden oder entsteht ein solcher Mangel später wegen eines Umstands, den der Vermieter zu vertreten hat, oder kommt der Vermieter mit der Beseitigung eines Mangels in Verzug, so kann der Mieter unbeschadet der Rechte aus § 536 Schadensersatz verlangen.

    (2) Der Mieter kann den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn

    1.der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist oder

    2.die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig ist.

    Urteil vom 21. April 2010 – VIII ZR 131/09
    AG Dresden -Urteil vom 5. September 2008 – 141 C 2898/08
    LG Dresden - Urteil vom 22. April 2009 – 4 S 479/08
    Karlsruhe, den 21. April 2010
    Pressestelle des Bundesgerichtshofs

  • Diskussionen
  • Donnerstag, März 25, 2010

    "Steuern senken" und Grunderwerbsteuer steigt

    Bis 2006 war die den Bundesländern zufließende Grunderwerbsteuer vom Bund zentral vorgegeben, betrug zuletzt 3,5 Prozent. Seither dürfen die Bundesländer entscheiden. Hamburg und Berlin erhöhten auf 4,5 Prozent. Jetzt folgt Sachsen-Anhalt, demnächst Bremen.
    Da auch andere Grundstückskaufnebenkosten anstiegen, z.B. die Maklerkosten infolge der Umsatzsteuererhöhungen, kann längst nicht mehr mit dem klassischen 12-Prozent-Aufschlag kalkuliert werden, stattdessen sicherheitshalber mit 14 Prozent.
    Damit verliert Wohneigentum an Attraktivität für Leute, die Eigentum statt Miete wohnen, aber möglicherweise schon nach wenigen Jahren Jobangeboten hinterher ziehen müssen, denn die hohen Kaufnebenkosten sind nur bei ausgesprochen "günstigen Entwicklungen" an "Wertsteigerung" bzw. in der Regel nur Inflationsausgleich zu erwarten.
    Wer bspw. eine Eigentumswohnung zum Preis von 200.000 € erwirbt, nach zwei Jahren zum selben Wert wieder loszuwerden schafft, zahlt bislang 7000 €, künftig 9000 € drauf.
    Wer Kauf und Miete vergleicht, muss neben den Zinskosten und Reparaturkosten den erhöhten Fehlbetrag auf die Wohnmonate umlegen. In diesem Beispiel sind das zusätzliche 83,33 € pro Monat, aber kaum jemand kann schaffen, eine Eigentumswohnung termingenau zu erwerben oder gar zu veräußern.

    Markus Rabanus >> Diskussion

    Montag, März 22, 2010

    BGH zur ImmoFonds-Prospekthaftung

    Nr. 58/2010 Bundesgerichtshof zur Prospekthaftung bei geschlossenen Immobilienfonds der GEHAG in Berlin

    Die Beklagte, die GEHAG GmbH, ist Gründungsgesellschafterin des GEHAG-Fonds 11 und noch weiterer gleichartiger geschlossener Immobilienfonds, an denen sich in den 90er Jahren zahlreiche Anleger aus dem gesamten Bundesgebiet beteiligt haben. Die GEHAG-Anteile wurden mehrheitlich vom Land Berlin gehalten. Alle Fonds haben ähnliche, aber nicht stets wortgleiche Prospekte.

    Die Fonds waren gegründet worden, um Wohnanlagen - größtenteils im sozialen Wohnungsbau - zu errichten und zu vermieten. Das Land Berlin bezuschusste teilweise die Mieten. Diese Hilfen wurden für 15 Jahre ab Bezugsfertigkeit bewilligt. Üblicherweise schloss sich daran eine ebenfalls 15-jährige "Anschlussförderung" an. Abweichend von dieser Verwaltungsübung beschloss der Berliner Senat im Februar 2003 mit Rücksicht auf die desolate finanzielle Situation der Stadt den Verzicht auf die Anschlussförderung für solche Bauvorhaben, bei denen die Grundförderung nach dem 30.12.2002 endete. Darunter fielen auch die GEHAG-Fonds 11, 15 und 18.

    Die Klägerin verlangt wegen Prospektmängeln u. a. Ersatz ihrer Einlage und Freistellung von der quotalen Haftung für das von der Gesellschaft aufgenommene Bankdarlehen. Damit ist sie in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Anders als bei den Fonds 10 und 20 hat das Berufungsgericht beim Fonds 11 wie auch in anderen Verfahren bei den Fonds 15 und 18 einen Prospektfehler angenommen, weil die Anschlussförderung als gesichert dargestellt worden sei; es hat gleichwohl die Klage abgewiesen, weil es den Fehler nicht als ursächlich für die Beitrittsentscheidung angesehen hat. Dagegen wendet sich die Revision ebenso wie gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass wegen der Darstellung der quotalen Haftung der Anleger für Schulden des Fonds kein Prospektfehler anzunehmen sei.

    Die von dem für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenat in diesem und in 10 weiteren Fällen zugelassene Revision führte zur Aufhebung der Berufungsurteile und Zurückverweisung der Sachen an das Berufungsgericht.

    Der II. Senat hat dem Berufungsgericht zugestimmt, dass anders als die Darstellung der quotalen Haftung die Prospektformulierungen zur Anschlussförderung fehlerhaft sind. Denn diese erwecken den Eindruck, die Anschlussförderung sei gesichert, obwohl es tatsächlich keinen Rechtsanspruch darauf gegeben hat. Diese Aussage ist auch dann unrichtig i. S. d. Prospekthaftungsrechtsprechung, wenn man mit dem Berufungsgericht davon ausgeht, dass bei der Zeichnung der Fonds in der ersten Hälfte der 90er Jahre allgemein erwartet wurde, das Land Berlin werde den sozialen Wohnungsbau weiterhin fördern.

    Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der II. Senat angenommen, dass eine fehlerhafte Aufklärung nach der Lebenserfahrung ursächlich für die Anlageentscheidung ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt allenfalls bei hochspekulativen Geschäften in Betracht. Ein Immobilienfonds ist aber keine derart spekulative Anlageform. Bei einem zutreffenden Hinweis auf die rechtliche Ungewissheit der Anschlussförderung wäre es für einen durchschnittlichen Anlageinteressenten durchaus vernünftig gewesen, nicht in dieses Vorhaben zu investieren. Unabhängig von der Anschlussförderung konnte der Anleger mit der Anlage zwar Steuern sparen. Er riskierte aber, dass der Fonds bei Ausbleiben der Anschlussförderung nach 15 Jahren insolvent wurde und damit das investierte Kapital verloren wäre. Dem standen keine adäquaten Gewinnchancen gegenüber; das hat auch die Beklagte selbst eingeräumt, die nämlich erklärt hat: "Ohne Anschlussförderung hätte kein Investor dieser Welt auch nur eine einzige Wohnung in Berlin in diesem Marktsegment gebaut."

    Das Recht des Anlegers, das Für und Wider selbst abzuwägen und seine Anlageentscheidung in eigener Verantwortung zu treffen, wird in diesen Fällen auch durch unzutreffende Informationen über Umstände, für deren Eintritt eine nur geringe Wahr-scheinlichkeit besteht, beeinträchtigt.

    Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens hat die Beklagte bisher nicht widerlegt. Da noch von der Beklagten angebotene Beweise erhoben werden müssen, hat der II. Senat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

    Fonds 11: II ZR 66/08, II ZR 184/08, II ZR 185/08, II ZR 198/08, II ZR 3/09
    Fonds 15: II ZR 162/08, II ZR 181/08, II ZR 193/08, II ZR 215/08
    Fonds 18: II ZR168/08, II ZR 178/08
    II ZR 66/08
    LG Berlin – 4a O 342/05 – Entscheidung vom 24. April 2007
    KG – 26 U 102/07 – Entscheidung vom 13. Februar 2008
    Karlsruhe, den 22. März 2010

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    KOMMENTAR: Welcher Esel verfasste den Prospekt, bekam wie viel Geld dafür und haftet nun nicht?
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