Mittwoch, Juli 20, 2005

BGH: Kabel-TV statt Digital-TV

Nr. 107/2005
Bundesgerichtshof zur Duldungspflicht des Mieters für Arbeiten zum Anschluß der Wohnung an ein rückkanalfähiges Breitbandkabelnetz (im Empfangsbereich des terrestrischen Digitalfernsehens in Berlin)

Der unter anderem für das Wohnungsmietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, daß der vom Vermieter beabsichtigte Anschluß einer Wohnanlage an ein rückkanalfähiges Breitbandkabelnetz auch im Empfangsbereich des in Berlin zu empfangenden terrestrischen Digitalfernsehens (DVB-T) weiterhin eine Verbesserung der Mietsache im Sinne des § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB darstellt und die dafür erforderlichen Arbeiten deshalb vom Mieter zu dulden sind.

Die Klägerin ist Eigentümerin einer 66 Einheiten umfassenden Wohnanlage in Berlin; die Beklagte hat dort eine Wohnung gemietet. Die Wohnanlage war ursprünglich an eine Gemeinschaftsantenne zum Empfang von Fernsehprogrammen angeschlossen. Nachdem ab 1. November 2002 das sogenannte terrestrische Digitalfernsehen (DVB-T) in Berlin eingeführt und im Zuge dieser Umstellung der analoge Empfang von Fernsehprogrammen eingestellt worden war, installierte die Klägerin zur vor-übergehenden Sicherung des Fernsehempfangs eine Satellitenanlage, mit der wie bei der vorherigen Gemeinschaftsantenne lediglich fünf Fernsehprogramme empfangen werden können.
Die Klägerin beabsichtigt den Anschluß der gesamten Wohnanlage an ein rückkanalfähiges Breitbandkabelnetz. Sie erbat die Zustimmung der Mieter zur Durchführung der dafür erforderlichen Arbeiten. Die Beklagte verweigerte ihre Zustimmung mit der Begründung, daß seit Einführung des Digitalfernsehens in Berlin der Fernsehempfang hier in gleicher Qualität, jedoch preiswerter mit einer Set-Top-Box möglich sei.
Die Klägerin hat daraufhin die Verurteilung der Beklagten zur Duldung der für den Kabelanschluß in der Wohnung der Beklagten erforderlichen Arbeiten begehrt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts mit der Begründung aufgehoben, daß ein Anspruch der Klägerin auf Duldung der für den Kabelanschluß erforderlichen Arbeiten nicht aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen verneint werden könne.
Nach § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Mieter Maßnahmen zur Verbesserung der Mietsache zu dulden. Ob eine Maßnahme zur Verbesserung der gemieteten Räume vorliegt, ist objektiv, das heißt nicht nach der Wertung des derzeitigen Mieters zu bestimmen; entscheidend ist, ob der Maßnahme nach der Verkehrsanschauung eine Wohnwertverbesserung zugemessen wird, so daß der Vermieter damit rechnen kann, daß die Wohnung von künftigen Mietinteressenten eher angemietet werden wird als eine vergleichbare Wohnung, bei der die Maßnahme nicht durchgeführt worden ist.

Der Auffassung des Berufungsgerichts, daß im Hinblick auf das in Berlin mit entsprechender Antenne und Set-Top-Box frei empfangbare Digitalfernsehen eine Wohnwertverbesserung durch einen rückkanalfähigen Breitbandkabelanschluß „noch nicht“ gegeben sei, weil nach der Verkehrsanschauung nicht angenommen werden könne, daß die weitergehenden Nutzungsmöglichkeiten, die das Breitbandkabelnetz gegenüber dem Digitalfernsehen biete, bereits einen durchschnittlichen Standard darstellten oder von einer ins Gewicht fallenden Zahl von Mietern nachgefragt würden, ist der Senat nicht gefolgt.
Er hat hierzu ausgeführt, daß der Vermieter, der eine Modernisierung beabsichtigt, nicht darauf beschränkt ist, die Wohnung nur auf den durchschnittlichen Standard des gegenwärtigen Wohnungsmarkts anzuheben.

Ein Vermieter darf die Attraktivität seiner Wohnungen auch durch eine überdurchschnittliche Ausstattung erhöhen, selbst wenn die Nachfrage danach noch verhältnismäßig gering sein mag. Eine nicht gegen den Willen des Mieters durchsetzbare "Luxusmodernisierung“ liegt bei einem Kabelanschluß jedenfalls nicht vor.

Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, daß die weitergehenden Nutzungsmöglichkeiten des Breitbandkabelnetzes gegenüber dem terrestrischen Digitalfernsehen nicht von einer ins Gewicht fallenden Anzahl von Mietern nachgefragt würden, hat es bei dem von ihm angestellten Vergleich wesentliche Umstände nicht berücksichtigt.

Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt sind nach dem gegenwärtigen Entwicklungsstand über das Breitbandkabelnetz im Gegensatz zum Digitalfernsehen zusätzlich etwa 30 Hörfunkprogramme in Stereoqualität zu empfangen. Hinzu kommen zu den 34 analogen Fernsehprogrammen des Kabelnetzes, denen 27 Fernsehprogramme des Digitalfernsehens gegenüberstehen, etwa 60 weitere über das Kabelnetz mit Hilfe eines Decoders digital zu empfangende in- und ausländische Fernsehprogramme sowie die zukünftige Möglichkeit interaktiver Mediennutzung.
Insoweit hat das Berufungsgericht insbesondere nicht berücksichtigt, daß zu den 60 digitalen Zusatzprogrammen des Kabelnetzes zahlreiche ausländische Fernsehprogramme gehören.

Angesichts des Ausländeranteils der Berliner Bevölkerung und der darauf beruhenden Nachfrage nach ausländischen Fernsehprogrammen, die auch in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über die Aufstellung von Parabolantennen zum Empfang ausländischer Fernsehprogramme zum Ausdruck kommt, hat der Senat die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu teilen vermocht, daß der Anschluß an das Breitbandkabelnetz, das ausländische Programme in erheblicher Anzahl zur Verfügung stellt und insoweit die zusätzliche Aufstellung von Parabolantennen entbehrlich macht, gegenüber dem Digitalfernsehen, das diese Möglichkeit zur Zeit nicht bietet, nicht von wesentlichem Vorteil sei.

Da somit der von der Klägerin beabsichtigte Anschluß der Wohnanlage an das rückkanalfähige Breitbandkabelnetz nach dem gegenwärtigen Stand der technischen Entwicklung als Maßnahme zur Verbesserung der Mietsache anzusehen ist, erstreckt sich die grundsätzlich bestehende Duldungspflicht der Beklagten nicht nur auf die Arbeiten, die für den Anschluß der von ihr gemieteten Wohnung an das Breitbandkabelnetz erforderlich sind, sondern ebenso auf die Verlegung der Kabel durch die Wohnung der Beklagten in die darüberliegende Wohnung, um deren Anschluß an das Breitbandkabelnetz zu ermöglichen.

Der Senat hat jedoch den Rechtsstreit nicht abschließend entschieden, sondern an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus folgerichtig bislang nicht geprüft hat, ob die Duldungspflicht der Beklagten aufgrund der Härteklausel des § 554 Abs. 2 Satz 2 bis 4 BGB ausnahmsweise ausgeschlossen ist.

Urteil vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 253/04
AG Schöneberg 106 C 540/03 ./. LG Berlin 63 S 49/04
Karlsruhe, den 20. Juli 2005
Pressestelle des Bundesgerichtshof

Mittwoch, Juli 06, 2005

Dresdener WOBA soll verkauft werden - Mieter verbittert

Dresden (Deutschland), 06.07.2005 – Gestern fanden sich im Dresdener Rathaus etwa 200 Bürger der Stadt ein, um sich über den umstrittenen Beschluss des Stadtrats zum Verkauf des städtischen Wohnungsunternehmens WOBA zu informieren und um ihren Missmut über den Ablauf und die Hintergründe sowie die Problematik aus der eigenen Sicht zum Ausdruck zu bringen.

Die WOBA Dresden GmbH besteht seit 2004 aus der „Südost WOBA Dresden GmbH“, der „Wohnbau Nordwest GmbH“, der „STESAD GmbH“ und der „STESAD Immobilien GmbH“ und verfügt über einen Immobilienbestand von über 47.000 Wohnungen. Im Zuge der deutschen Einheit haben die Wohnungsbaugesellschaften, die durch den Stadtrat die Entscheidungsgewalt ausüben, den volkseigenen Wohnraum zur Verwaltung übernommen und bestimmen auch über dessen Veräußerung.

Der Stadtrat hat letzte Woche in einem Beschluss mit 40 zu 23 Stimmen für den Verkauf gestimmt. Die Sitzung verlief laut einiger anwesender Bürger in einer sehr undisziplinierten Art und Weise. Die Besucher der Informationsveranstaltung bemängeln die Schnelligkeit des Verfahrens und vermuten unzureichende Struktur und Weitsicht hinter dem Verkauf der Wohngebäude. In der Folge wird von Verletzungen der städtischen Pflichten bezüglich eines mietergerechten Wohnens ausgegangen, da zukünftige Käufer nur mit Profitgedanken in den Kauf gehen werden und eine längere Haltung der Immobilien von Vornherein nicht anstreben.

Bei der öffentlichen Veranstaltung, organisiert von der Partei Bündnis 90/Die Grünen, wurden noch weitere Missstände angesprochen. Die Stadt und deren Organe seien ihrer Pflicht, sich um das Wohlbefinden der Bürger zu kümmern, nicht nachgekommen. Die Anwesenden fühlten sich schlecht informiert, hintergangen und betrogen. Von den Befürwortern des Verkaufs war trotz einer breiten Einladungsversendung kein Vertreter anwesend, um den Fragenden die Gründe oder weiterführende Gedanken zum Verkauf der kommunalen Wohnungen zu nennen.

Der Oberbürgermeister der Stadt Ingolf Roßberg kam der Einladung ebenfalls nicht nach und steht dadurch in starker Kritik. Die Besucher mahnten den Bruch von mehreren Wahlversprechen an und planen in den kommenden Tagen durch ein Aktionsbündnis ihren Wünschen Ausdruck zu verleihen und die Entscheidung anzufechten. +wikinews+