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Mittwoch, Juli 16, 2003

BGH: Verlust des Mietminderungsrechts

Nr. 95/2003
Bundesgerichtshof entscheidet über den Verlust des Rechtes zur Minderung der Wohnungsmiete nach neuem Mietrecht

Der u.a. für das Wohnungsmietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte über die Frage zu entscheiden, ob ein Mieter das Recht, die Miete wegen eines Mangels der Wohnung zu mindern, verliert, wenn er die Miete über einen längeren Zeitraum ungekürzt und vorbehaltlos weiterzahlt. In dem dem Senat vorliegenden Fall hatte der Mieter wegen einer von der Nachbarwohnung ausgehenden Lärmbelästigung seit September 1999 die Miete monatlich um 69,90 DM gemindert. Die Vermieterin war der Auffassung, der Mieter habe das Recht zur Minderung der Miete verloren, weil er erst etwa zwei Jahre nach Beginn der Störung erstmals diesen Zustand gerügt hatte. Mit ihrer Klage hat sie die bis einschließlich September 2001 aufgelaufenen Mietrückstände geltend gemacht.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die auf eine Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1936 zurückging und bei den Instanzgerichten einhellige Zustimmung gefunden hatte, verlor der Mieter in einem solchen Fall auf Dauer das Recht zur Minderung der Miete. Allerdings war diese Fallgestaltung in den mietrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht geregelt; die Rechtsprechung ging deshalb davon aus, daß das Gesetz insofern eine Lücke aufweise, die durch die entsprechende Anwendung des § 539 BGB in der bis zum 31. August 2001 geltenden Fassung zu schließen sei. Nach jener Vorschrift konnte der Mieter die Miete nicht wegen eines von Anfang an vorhandenen Mangels der Mietsache herabsetzen, wenn ihm der Mangel bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war. Der dieser Bestimmung zugrundeliegende Gedanke war nach Ansicht des Bundesgerichtshofes auch für die Minderung wegen eines nachträglich aufgetretenen oder bekannt gewordenen Mangels sinngemäß heranzuziehen.

Der im August 2000 beschlossene Regierungsentwurf zur Reform des Mietrechts hat in der Begründung zu § 536b BGB n.F., der von geringen sprachlichen Anpassungen abgesehen im wesentlichen unverändert an die Stelle des § 539 BGB a.F. treten sollte, in bewußter Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, daß in den Fällen, in denen ein Mangel - wie in dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhalt - erst im Laufe des Mietverhältnisses entsteht, grundsätzlich nur noch § 536c BGB n.F., der dem früheren § 545 BGB entspricht, anzuwenden ist. Danach ist der Mieter nur dann und solange an der Minderung der Miete gehindert, als er den Mangel dem Vermieter nicht anzeigt. Die der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegende Analogie zu § 539 BGB a.F. - jetzt § 536b BGB - sollte nach der Vorstellung des Regierungsentwurfs damit für die Zukunft erkennbar ausgeschlossen sein.

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr entschieden, daß es auch bei laufenden Mietverhältnissen für die Zeit bis zum Inkrafttreten des neuen Mietrechts am 1. September 2001 bei der bisherigen Rechtslage verbleibt. Das bedeutet, daß die analog § 539 BGB a.F. bis zu diesem Zeitpunkt erloschenen Minderungsrechte nicht wieder aufleben. Die zum Mietrechtsreformgesetz ergangene Übergangsbestimmung des Art. 229 § 3 EGBGB läßt den Willen des Gesetzgebers erkennen, aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes die vor dem 1. September 2001 abgeschlossenen Sachverhalte, d.h. die bis dahin entstandenen monatlichen Mietansprüche, von dem neuen Recht unberührt zu lassen.

Für die ab dem 1. September 2001 fällig werdenden Mieten gilt dies jedoch nicht. Insoweit ist das neue Mietrecht ohne Einschränkung maßgebend. Bei der Beurteilung der Frage, ob der an die Stelle des § 539 BGB a.F. getretene § 536b BGB auf Fälle eines nachträglich aufgetretenen oder bekannt gewordenen Mangels analog anzuwenden ist, ist die in dem Regierungsentwurf enthaltene, im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht in Frage gestellte Begründung zu den §§ 536b, 536c BGB zu berücksichtigen. Danach ist die Annahme einer sogenannten planwidrigen Regelungslücke, die stets Voraussetzung für eine Analogie ist, ausgeschlossen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß sich der parlamentarische Gesetzgeber nicht nur die - unverändert belassenen - Vorschriften des Regierungsentwurfs, sondern auch die dazu gegebenen Begründungen zu eigen gemacht hat. Hat der Gesetzgeber aber - wie hier - in Kenntnis der entgegenstehenden bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Regelungslücke verneint und die neuen Vorschriften - ggf. korrigiert durch die Generalklausel von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und das Bereicherungsrecht (§ 814 BGB) - ausdrücklich als ausreichend bezeichnet, bleibt für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke kein Raum mehr.
Im vorliegenden Fall kann dem Mieter daher entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sein Recht zur Minderung der Miete für die Zeit ab 1. September 2001 nicht durch eine analoge Anwendung des § 536b BGB abgesprochen werden.
Daß er die Lärmbelästigung erstmals mehr als zwei Jahre nach ihrem Beginn gegenüber der Vermieterin gerügt hat, kann aber dazu führen, daß er das Minderungsrecht durch (stillschweigenden) Verzicht oder durch Verwirkung verloren hat. Der Bundesgerichtshof hat deshalb auf die Revision des beklagten Mieters das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben, soweit es die Mietminderung für den Monat September 2001 betrifft, und hat die Sache insoweit zur Prüfung dieser und der weiteren Frage, ob und in welchem Umfang eine zur Minderung berechtigende Lärmbelästigung vorgelegen hat, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Im übrigen - hinsichtlich der Mietrückstände aus der Zeit vor dem 1. September 2001 - hat er die Revision zurückgewiesen.

Urteil vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 274/02
Karlsruhe, den 16. Juli 2003

Mittwoch, Juli 09, 2003

BGH: zur Anbietpflicht bei Eigebedarf

Nr. 90/2003
Bundesgerichtshof zur sogenannten Anbietpflicht des Vermieters gegenüber einem wegen Eigenbedarfs gekündigten Mieter

Der u.a. für das Wohnungsmietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte in zwei Entscheidungen darüber zu befinden, inwieweit ein Vermieter, der dem Mieter wegen Eigenbedarfs kündigt, verpflichtet ist, dem Mieter eine ihm zur Verfügung stehende Wohnung, die vermietet werden soll, zur Anmietung anzubieten. Der Senat hat entschieden, dass grundsätzlich eine Anbietpflicht zu bejahen ist und dass eine unter Verstoß gegen diese Verpflichtung ausgesprochene Kündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam ist. Der Senat hat weiter ausgeführt, diese Pflicht bestehe jedoch nur, wenn die andere Wohnung bis spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehe und und sich im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befinde.

In dem dem Verfahren VIII ZR 311/02 zu Grunde liegenden Fall hatte der klagende Vermieter seiner Mieterin wegen Eigenbedarfs gekündigt. Nach Ablauf der Kündigungsfrist, aber noch vor Beendigung des Räumungsprozesses war in demselben Haus eine gleich große Wohnung frei geworden, die der Vermieter jedoch anderweitig vermietete. Die Mieterin hatte den Eigenbedarf des Klägers bestritten und im übrigen geltend gemacht, der Vermieter hätte ihr diese Wohnung als Alternative anbieten müssen.

Der Bundesgerichtshof hat zunächst ausgesprochen, dass den Vermieter grundsätzlich die Pflicht trifft, eine ihm zur Vermietung zur Verfügung stehende andere Wohnung dem Mieter anzubieten. Zwar sei bei der Kündigung einer Mietwohnung wegen Eigenbedarfs grundsätzlich die Entscheidung des Vermieters, wie er eine ihm gehörende Wohnung nutzen wolle, zu respektieren. Es könne jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Kündigung wegen Eigenbedarfs gegen einen Mieter einen erheblichen Eingriff in dessen Lebensumstände darstelle und deshalb so schonend wie möglich ausgeübt werden müsse. Der Vermieter sei daher gehalten, diesen Eingriff abzumildern, soweit ihm dies möglich sei. Der VIII. Zivilsenat hat damit die von den Instanzgerichten bereits seit längerem praktizierte Rechtsprechung zur Anbietpflicht des Vermieters bestätigt.

Wie der Senat weiter ausgeführt hat, besteht die Verpflichtung des Vermieters nur, wenn die Alternativwohnung spätestens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Vermietung zur Verfügung steht. Anderenfalls werde nämlich derjenige Mieter privilegiert, der sich nach Ablauf der Kündigungsfrist unberechtigt weiterhin in der Wohnung aufhalte. Er würde ermutigt, einen Rechtsstreit allein in der Hoffnung zu führen, dass im Verlaufe des Verfahrens eine andere Wohnung im selben Haus frei werde. Durch eine nach Vertragsende fortgeltende Anbietpflicht werde der Vermieter in seinem durch Art. 14 GG geschützten Eigentumsrecht unverhältnismäßig eingeschränkt.
Soweit sich im Räumungsverfahren herausstelle, dass ein Eigenbedarf tatsächlich nicht vorliege, bedürfe es zum Schutze des Mieters einer Anbietpflicht nicht, weil die vom Vermieter ausgesprochene Kündigung dann ohnehin unwirksam sei.
In dem Fall, der dem Verfahren VIII ZR 276/02 zu Grunde lag, hatte der Kläger eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ausgesprochen, um seinem Bruder und dessen sechsköpfiger Familie zu ermöglichen, in die Wohnung der beklagten Mieter einzuziehen. Das Berufungsgericht hat die Kündigung für rechtsmissbräuchlich gehalten, weil der Kläger seinen Bruder nicht veranlasst hatte, eine diesem gehörende, mehrere Kilometer entfernt gelegene Wohnung den Mietern anzubieten. Diese Wohnung war im Zeitpunkt der Kündigung vermietet, wurde aber später frei. Der Bruder des Klägers vermietete sie weiter, ohne sie den Beklagten angeboten zu haben.

Der Senat hat zunächst entschieden, dass der Vermieter grundsätzlich auch für seine Geschwister Eigenbedarf geltend machen könne. Bei Geschwistern bestehe noch ein so enges Verwandtschaftsverhältnis, dass es eines zusätzlichen, einschränkenden Tatbestandsmerkmals, wie etwa einer engen sozialen Bindung zum Vermieter, nicht bedürfe.

Die grundsätzlich bestehende Anbietpflicht des Vermieters hat der Senat im konkreten Fall jedoch deshalb verneint, weil sich die Wohnungen nicht in der erforderlichen räumlichen Nähe zueinander befanden. Es sei nicht Sache des Vermieters, dem Mieter jede andere, ihm zur Verfügung stehende Wohnung zur Nutzung anzubieten. Seine Verpflichtung beschränke sich vielmehr auf eine im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befindliche Wohnung, um dem Mieter zu ermöglichen, eine Wohnung in seiner vertrauten Umgebung zu beziehen.

Da in beiden Fällen die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen von Eigenbedarf des Vermieters nicht hinreichend geklärt waren, hat der Senat die Verfahren zwecks Nachholung der erforderlichen Feststellungen an die Berufungsgerichte zurückverwiesen.

Urteile vom 9. Juli 2003 – VIII ZR 311/02 und VIII ZR 276/02
Karlsruhe, den 9. Juli 2003
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Mittwoch, Dezember 18, 2002

BGH: nachgeschobene Mieterhöhung

Nr. 133/2002

Zur Wirksamkeit eines mit Vergleichswohnungen begründeten Mieterhöhungsverlangens und zum Nachschieben eines erneuten Mieterhöhungsverlangens im Prozeß

Der unter anderem für das Wohnungsmietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei gleichgelagerten Verfahren über die formellen Anforderungen an ein Mieterhöhungsverlangen des Vermieters nach § 2 Miethöhegesetz (seit 1.9.2001: § 558a BGB) entschieden.
Der Vermieter verlangte in beiden Fällen schriftlich eine Erhöhung des Mietzinses und verwies zur Begründung auf drei in verschiedenen Geschossen eines anderen Hauses in derselben Straße gelegene Wohnungen, für welche ein vergleichbarer Mietzins gezahlt werde. In den angegebenen Geschossen befanden sich je zwei Wohnungen. In dem Erhöhungsverlangen war nicht angegeben, um welche Wohnung es sich jeweils handelte. Die auf Zustimmung zur Mieterhöhung gerichtete Klage des Vermieters hat das Amtsgericht aus diesem Grund abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Rechtsanwalt des Vermieters mit einem Schreiben, das dem Rechtsanwalt der Mieter zugegangen ist, hilfsweise erneut Zustimmung zur Erhöhung der Miete um denselben Betrag, jedoch von einem späteren Zeitpunkt an, verlangt. In diesem Schreiben war nunmehr die Lage der Vergleichswohnungen im Geschoß genau bezeichnet. Der Anwalt der Mieter hat dieses Mieterhöhungsverlangen mit der Begründung zurückgewiesen, er sei zu dessen Empfangnahme nicht bevollmächtigt, und dem Schreiben sei keine Vollmachtsurkunde des Anwalts des Vermieters beigefügt worden. Die Klage ist bezüglich beider Erhöhungsverlangen in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben. Das Landgericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Der Bundesgerichtshof hat hinsichtlich des ersten Mieterhöhungsverlangens die Auffassung der Vorinstanzen bestätigt und ausgeführt, der Vermieter müsse bei einer Begründung des Erhöhungsverlangens mit Vergleichswohnungen diese so genau bezeichnen, daß der Mieter sie ohne nennenswerte Schwierigkeiten auffinden könne. Dies erfordere bei einem Mehrfamilienhaus mit mehreren Wohnungen auf demselben Geschoß weitere Erläuterungen wie etwa die genaue Lage der Wohnung, die Angabe einer nach außen erkennbaren Wohnungsnummer oder des Namens des derzeitigen Mieters.
Hinsichtlich des zweiten Mieterhöhungsverlangens hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts sei der Rechtsanwalt der beklagten Mieter aufgrund der ihm erteilten Prozeßvollmacht auch zur Entgegennahme des weiteren Mieterhöhungsverlangens bevollmächtigt gewesen. Der Anwalt der Mieter sei auch nicht berechtigt gewesen, die Erklärung wegen Nichtvorlage einer Vollmachtsurkunde zurückzuweisen. Denn die Vorschrift des § 174 BGB, die ein solches Recht bei einseitigen Rechtsgeschäften vorsehe, finde auf eine von einem Rechtsanwalt im Rahmen seiner Prozeßvollmacht abgegebene Erklärung keine Anwendung.

Urteile vom 18. Dezember 2002 – VIII ZR 72/02 und VIII ZR 141/02
Karlsruhe, den 18. Dezember 2002
Pressestelle des Bundesgerichtshofs