Mittwoch, Oktober 06, 2010

Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen kann auch von Ehegatten nur für eine Wohnung in Anspruch genommen werden

BFH Pressermitteilung Nr. 86 vom 06.10.2010 Urteil vom 29.07.10 VI R 60/09

Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 29. Juli 2010 VI R 60/09 entschieden, dass zusammen veranlagte Ehegatten, die mehrere Wohnungen nutzen, die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen nur einmal bis zum gesetzlich geregelten Höchstbetrag (im Streitfall 600 €; aktuell 1.200 €) in Anspruch nehmen können.

Im entschiedenen Fall bewohnten die Kläger Einfamilienhäuser an zwei Orten und ließen durch verschiedene Handwerksbetriebe Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen an den beiden Wohnungen durchführen. In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragten die Ehegatten für beide Wohnungen jeweils eine Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsleistungen nach § 35a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Finanzamt gewährte die Steuerermäßigung abweichend von der Einkommensteuererklärung lediglich bis zum Höchstbetrag von 600 €.

Der BFH bestätigte diese Auffassung. Für eine mehrfache Inanspruchnahme der Steuerermäßigung findet sich kein Anhaltspunkt im Gesetz. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebe sich lediglich, dass die Handwerkerleistungen in einem inländischen Haushalt zu erbringen sind. Daraus könne nicht geschlossen werden, dass bei mehreren tatsächlich genutzten Wohnungen die Steuerermäßigung auch mehrfach zu gewähren sei. Auch die Begrenzung der Steuerermäßigung der Höhe nach gelte unabhängig davon, ob die steuerbegünstigten Leistungen in einer oder in mehreren Wohnungen erbracht worden seien.

Zusammen veranlagten Ehegatten wird danach die Steuerermäßigung nur einmal gewährt. Eine Benachteiligung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch die Begrenzung der Steuerermäßigung auf 600 € auch bei mehreren tatsächlich genutzten Wohnungen sieht der BFH nicht. Denn auch Alleinstehende, die gemeinsam in zwei Wohnungen wirtschaften, können die Höchstbeträge des § 35a EStG ebenfalls nur einmal in Anspruch nehmen (§ 35a Abs. 3 EStG). Damit ist allein die gemeinsame Wirtschaftsführung am Ort oder den Orten der Leistungserbringung, nicht aber der Familienstand entscheidend.

BGH zu "Kündigungskosten"

Zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die Kündigung durch einen gewerblichen Großvermieter
Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass es einem gewerblichen Großvermieter in tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen zuzumuten ist, ein Kündigungsschreiben ohne anwaltliche Hilfe zu verfassen. Die Kosten für einen dennoch beauftragten Rechtsanwalt sind daher vom Mieter nicht zu erstatten.

Die Klägerin ist ein Unternehmen der Wohnungswirtschaft, das über eine Vielzahl von Wohnungen verfügt und diese gewerblich vermietet. Die Beklagten, die eine Wohnung von der Klägerin gemietet haben, gerieten mit zwei Monatsmieten in Rückstand. Daraufhin erklärte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben die fristlose Kündigung des Mietvertrags gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB*. Die Klägerin hat mit ihrer Klage Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie Zahlung der durch das Kündigungsschreiben entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 402,82 € begehrt. Hinsichtlich der in der Revision allein noch maßgeblichen Rechtsanwaltskosten hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Kosten, die aus der Sicht des Vermieters zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte nicht erforderlich und zweckmäßig sind, vom Mieter nicht als Verzugsschaden zu ersetzen sind. Sofern es sich wie in der entschiedenen Konstellation um einen tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall handelt, bedarf ein gewerblicher Großvermieter für die Abfassung einer auf Zahlungsverzug gestützten Kündigung keiner anwaltlichen Hilfe. Dies gilt auch dann, wenn der Großvermieter nicht über eine eigene Rechtsabteilung verfügt.

*§ 543 BGB: Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. (…)

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn (…)

3. der Mieter

a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder

b)in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. (…)

Urteil vom 6. Oktober 2010 – VIII ZR 271/09
AG Wiesbaden - Urteil vom 6. April 2009 – 93 C 8201/08 (29)
LG Wiesbaden - Urteil vom 18. September 2009 – 2 S 38/09
Karlsruhe, den 6. Oktober 2010
  • Diskussionen
  • Mittwoch, September 29, 2010

    Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung von Gewerbeobjekten

    BFH Pressemitteilung Nr. 83 vom 29.09.2010 Urteil vom 20.07.10 IX R 49/09

    Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 20. Juli 2010 IX R 49/09 entschieden, dass auch bei langfristiger Vermietung von Gewerbeobjekten - anders als bei Wohnobjekten - die Einkünfteerzielungsabsicht nicht vermutet wird, sondern im Einzelfall konkret festzustellen ist. Damit wird die Anerkennung von Verlusten erschwert.

    Im entschiedenen Fall hatte der Kläger ein Gewerbeobjekt in den Streitjahren 2002 bis 2005 nicht vermietet, davor nur zum Teil, sporadisch und unter Wert. Er erzielte erhebliche Werbungskostenüberschüsse, vor allem wegen Abschreibungen, Grundsteuer und Gebäudeversicherung. Seine Vermietungsbemühungen waren wenig stringent und effektiv.

    Das Finanzgericht (FG) hatte die geltend gemachten Werbungskosten mangels hinreichenden Nachweises der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers nicht anerkannt. Dies bestätigte der BFH im Ergebnis.

    Der Abzug von Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung erfordert, dass der Steuerpflichtige die Absicht hat, aus der Vermietung auf Dauer einen Einnahmeüberschuss zu erzielen. Hiervon ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich auszugehen. Dies gilt aber nur für die Vermietung von Wohnungen, nicht indes für die Vermietung von Gewerbeobjekten. Bei Gewerbeimmobilien hat das FG im Einzelfall festzustellen, ob der Steuerpflichtige beabsichtigt (hat), auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen.

    Den Steuerpflichtigen trifft im Zweifel die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht. Zeigt sich aufgrund bislang vergeblicher Vermietungsbemühungen, dass für das Objekt, so wie es baulich gestaltet ist, kein Markt besteht und die Immobilie deshalb nicht vermietbar ist, so muss der Steuerpflichtige - will er seine Vermietungsabsicht belegen - zielgerichtet darauf hinwirken, unter Umständen auch durch bauliche Umgestaltungen einen vermietbaren Zustand des Objekts zu erreichen. Bleibt er untätig und nimmt den Leerstand auch künftig hin, spricht dieses Verhalten gegen den endgültigen Entschluss zu vermieten.

    Mittwoch, September 08, 2010

    BFH zur Versteuerung von Steuererstattungen

    PE Nr. 78 vom 08. September 2010
    Vom Finanzamt geleistete Zinsen auf Einkommensteuererstattungen sind nicht zu versteuern
    Urteil vom 15.06.10 VIII R 33/07

    Gesetzliche Zinsen, die das Finanzamt (FA) aufgrund von Einkommensteuererstattungen an den Steuerpflichtigen zahlt (sog. Erstattungszinsen) unterliegen nicht der Einkommensteuer. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 15. Juni 2010 VIII R 33/07 entschieden und damit seine frühere Rechtsprechung teilweise geändert.

    Bis 1999 konnten Nachzahlungszinsen, die der Steuerpflichtige an das Finanzamt zu zahlen hatte, als Sonderausgaben abgezogen werden. Nachdem diese Regelung ersatzlos entfallen war, mussten die Erstattungszinsen nach wie vor versteuert werden, während die Nachzahlungszinsen nicht mehr abgezogen werden durften. Das war bei vielen Steuerpflichtigen auf Unverständnis gestoßen. Nach der Änderung der Rechtsprechung sind nun gesetzliche Zinsen, die im Verhältnis zwischen Steuerpflichtigen und FA für Einkommensteuernachzahlungen oder erstattungen entstehen, insgesamt steuerrechtlich unbeachtlich.

    Im Streitfall machte ein Steuerpflichtiger, der aufgrund desselben Einkommensteuerbescheids nicht abziehbare Nachzahlungszinsen an das FA zu leisten und zugleich vom FA bezogene Erstattungszinsen als Einahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern hatte, in erster Linie geltend, das in § 12 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelte Abzugsverbot für Nachzahlungszinsen sei verfassungswidrig.

    Der BFH hat dieses gesetzliche Abzugsverbot als verfassungsgemäß bestätigt, aber die Beurteilung von Erstattungszinsen teilweise geändert. Erstattungszinsen wurden bisher in jedem Fall als steuerbare Einnahmen aus Kapitalvermögen angesehen. Der Steuerpflichtige überlasse dem Finanzamt mit der letztlich nicht geschuldeten (und deshalb später zu erstattenden) Steuerzahlung Kapital zur Nutzung und erhalte dafür als Gegenleistung vom Finanzamt die Erstattungszinsen. An dieser Rechtsprechung hält der BFH im Grundsatz zwar fest. Das gilt jedoch nicht, wenn die Steuer wie hier die Einkommensteuer und darauf entfallende Nachzahlungszinsen gemäß § 12 Nr. 3 EStG vom Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausgeschlossen und damit dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen sind mit der Folge, dass die Steuererstattung beim Steuerpflichtigen nicht zu Einnahmen führt. Diese gesetzliche Wertung strahlt auf die damit zusammenhängenden Zinsen in der Weise aus, dass Erstattungszinsen ebenfalls nicht steuerbar sind.

    Mittwoch, August 11, 2010

    BFH zur Grundbesteuerung

    Nr. 68 vom 11. August 2010
    BFH hält allgemeine Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer für erforderlich
    Urteil vom 30.06.10 II R 60/08

    Die Einheitsbewertung des Grundvermögens ist vom Bundesfinanzhof (BFH) trotz verfassungsrechtlicher Zweifel bislang als verfassungsgemäß beurteilt worden. Im Urteil vom 30. Juni 2010 II R 60/08 hat er daran jedenfalls für Stichtage bis zum 1. Januar 2007 festgehalten, aber zusätzlich darauf hingewiesen, dass das weitere Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer mit verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes GG ), nicht vereinbar sei.

    Zur Begründung führt der BFH aus, dass die Festschreibung der Wertverhältnisse auf den Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) nur sachgerecht und aus verfassungsrechtlicher Sicht hinnehmbar sei, wenn der Hauptfeststellungszeitraum eine angemessene Dauer nicht überschreite. Die über mehr als vier Jahrzehnte unveränderte Einheitsbewertung des Grundbesitzes verfehle insbesondere die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen an eine realitätsgerechte Bewertung. Auf unbegrenzte Dauer sei es auch nicht hinnehmbar, dass eine Wertminderung wegen Alters nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) ausgeschlossen werde. Ferner führe das jahrzehntelange Unterlassen einer flächendeckenden Grundstücksneubewertung zwangsläufig zu verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Defiziten beim Gesetzesvollzug, weil verfahrensrechtlich nicht sichergestellt werde, dass dem Finanzamt Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse bekannt werden.

    Verfassungsrechtlich geboten sei eine erneute Hauptfeststellung besonders im Beitrittsgebiet, wo die Wertverhältnisse auf den 1. Januar 1935 festgeschrieben seien. Der sich daraus ergebende gleichheitswidrige Zustand könne im Hinblick auf die verstrichene Zeit nicht mehr mit den Übergangsschwierigkeiten nach der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands gerechtfertigt werden.

    BFH hält allgemeine Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer für erforderlich

    BFH-Pressemitteilung Nr.68 vom 11.8.2010 Urteil vom 30.06.10 II R 60/08

    Die Einheitsbewertung des Grundvermögens ist vom Bundesfinanzhof (BFH) trotz verfassungsrechtlicher Zweifel bislang als verfassungsgemäß beurteilt worden. Im Urteil vom 30. Juni 2010 II R 60/08 hat er daran jedenfalls für Stichtage bis zum 1. Januar 2007 festgehalten, aber zusätzlich darauf hingewiesen, dass das weitere Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer mit verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes GG ), nicht vereinbar sei.

    Zur Begründung führt der BFH aus, dass die Festschreibung der Wertverhältnisse auf den Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) nur sachgerecht und aus verfassungsrechtlicher Sicht hinnehmbar sei, wenn der Hauptfeststellungszeitraum eine angemessene Dauer nicht überschreite. Die über mehr als vier Jahrzehnte unveränderte Einheitsbewertung des Grundbesitzes verfehle insbesondere die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen an eine realitätsgerechte Bewertung. Auf unbegrenzte Dauer sei es auch nicht hinnehmbar, dass eine Wertminderung wegen Alters nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) ausgeschlossen werde. Ferner führe das jahrzehntelange Unterlassen einer flächendeckenden Grundstücksneubewertung zwangsläufig zu verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Defiziten beim Gesetzesvollzug, weil verfahrensrechtlich nicht sichergestellt werde, dass dem Finanzamt Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse bekannt werden.

    Verfassungsrechtlich geboten sei eine erneute Hauptfeststellung besonders im Beitrittsgebiet, wo die Wertverhältnisse auf den 1. Januar 1935 festgeschrieben seien. Der sich daraus ergebende gleichheitswidrige Zustand könne im Hinblick auf die verstrichene Zeit nicht mehr mit den Übergangsschwierigkeiten nach der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands gerechtfertigt werden.

    Donnerstag, Juli 22, 2010

    BGH zur USt bei Baugewährleistung

    Nr. 154/2010 Bundesgerichtshof ändert Rechtsprechung zur Berechnung eines Schadensersatzanspruches wegen eines Baumangels

    Der u. a. für das Baurecht zuständige VII. Zivilsenat hat neue Grundsätze aufgestellt, nach denen ein Schadensersatzanspruch wegen eines Baumangels zu berechnen ist.

    Der Beklagte errichtete im Auftrag der Kläger ein Einfamilienhaus. Es waren Mängel vorhanden, die der Beklagte trotz Aufforderung mit Fristsetzung nicht beseitigte. Für die Beseitigung der Mängel sind Aufwendungen in Höhe von 9.405,- € netto erforderlich. Die Parteien haben darüber gestritten, ob der Kläger als Schadensersatz, über den er frei verfügen kann und den er nicht zur Mängelbeseitigung verwenden muss, auch die Umsatzsteuer auf diesen Betrag verlangen kann, wenn er die Mängel noch nicht beseitigt hat.

    Das Berufungsgericht hat dies bejaht. Der Bundesgerichtshof hat in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Umsatzsteuer auf voraussichtliche Mängelbeseitigungsaufwendungen als Schadensersatz nicht verlangt werden kann, solange der Mangel nicht tatsächlich beseitigt worden ist. Diese Entscheidung ist im Lichte der gesetzlichen Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB* ergangen, die zwar auf Schadensersatzansprüche im Werkvertragsrecht nicht anwendbar ist, jedoch eine gesetzliche Wertung für vergleichbare Fälle enthält.

    Will der Auftraggeber den Bruttobetrag vor einer Mängelbeseitigung, so ist er im Werkvertragsrecht ausreichend dadurch geschützt, dass er einen auch die Umsatzsteuer umfassenden Vorschussanspruch gemäß § 637 Abs. 3 BGB** geltend machen kann, den er allerdings zur Mängelbeseitigung verwenden muss.

    Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 176/09
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  • BGH zum Kopplungsverbot Grundstückskauf u. Architekt

    Nr. 153/2010 Bundesgerichtshof zur Verfassungsmäßigkeit des Koppelungsverbotes

    Der u. a. für das private Bau- und Architektenrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Art. 10 § 3 MRVG*, der die Koppelung von Grundstückskaufverträgen mit Ingenieur- und Architektenverträgen für unwirksam erklärt, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

    Der Bundesgerichtshof hat die Revision gegen das diese Frage ebenfalls bejahende Urteil des Oberlandesgerichts zurückgewiesen.

    Er hat ausgeführt, das Koppelungsverbot verfolge den Zweck, die freie Wahl des Architekten durch den Bauwilligen allein nach Leistungskriterien und das typische Berufsbild des freien Architekten zu schützen sowie den Wettbewerb unter den Architekten zu fördern. Dabei handele es sich um wichtige Gemeinschaftsgüter. Sie rechtfertigten den mit dem Koppelungsverbot verbundenen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der freien Architekten und deren unterschiedliche Behandlung gegenüber anderen am Bau Beteiligten, so dass auch der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt sei. Ein Eingriff in das Grundrecht des Eigentums, Art. 14 Abs. 1 GG, liege ebenfalls nicht vor.

    Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 144/09
    LG Wuppertal - 19 O 29/06 - Urteil vom 5. Oktober 2006
    OLG Düsseldorf - 21 U 239/06 - Urteil vom 25. Juni 2009
    Karlsruhe, den 22. Juli 2010

    *Art. 10 § 3 MRVG: Unverbindlichkeit der Koppelung von Grundstückskaufver-trägen mit Ingenieur- und Architektenverträgen

    Eine Vereinbarung, durch die der Erwerber eines Grundstücks sich im Zusammenhang mit dem Erwerb verpflichtet, bei der Planung oder Ausführung eines Bauwerks auf dem Grundstück die Leistungen eines bestimmten Ingenieurs oder Architekten in Anspruch zu nehmen, ist unwirksam. Die Wirksamkeit des auf den Erwerb des Grundstücks gerichteten Vertrages bleibt unberührt.

    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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  • Mittwoch, Juli 14, 2010

    BGH zur "Kalten Räumung"

    Nr. 148/2010 Verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters bei "kalter" Wohnungsräumung

    Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zur Haftung des Vermieters bei eigenmächtiger Wohnungsräumung getroffen.

    Der Kläger war Mieter einer in Wiesbaden gelegenen Wohnung der Beklagten. Ab Februar 2005 war er für mehrere Monate mit unbekanntem Aufenthalt ortsabwesend und wurde von Verwandten als vermisst gemeldet. Nachdem die Mieten für die Monate März und April 2005 nicht gezahlt worden waren, kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis fristlos. Im Mai 2005 öffnete sie die Wohnung und nahm sie in Besitz. Hierbei entsorgte sie einen Teil der Wohnungseinrichtung; einen anderen Teil der vorgefundenen Sachen lagerte sie bei sich ein. Gestützt auf ein Sachverständigengutachten hat der Mieter für die ihm nach seiner Behauptung im Zuge der Räumung abhanden gekommenen, beschädigten oder verschmutzten Gegenstände Schadensersatz von rund 62.000 € zuzüglich der ihm entstandenen Gutachterkosten verlangt. Das Amtsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Mieters zurückgewiesen.

    Die dagegen gerichtete Revision des Mieters hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Vermieterin für die Folgen einer solchen Räumung haftet. Die nicht durch einen gerichtlichen Titel gedeckte eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen durch den Vermieter stellen eine unerlaubte Selbsthilfe (§ 229 BGB*) dar. Das gilt selbst dann, wenn der gegenwärtige Aufenthaltsort des Mieters unbekannt und ein vertragliches Besitzrecht des Mieters infolge Kündigung entfallen ist. Der Vermieter muss sich auch in diesen Fällen – gegebenenfalls nach öffentlicher Zustellung der Räumungsklage – einen Räumungstitel beschaffen und aus diesem vorgehen. Übt ein Vermieter stattdessen im Wege einer sogenannten "kalten" Räumung eine verbotene Selbsthilfe, ist er gemäß § 231 BGB** verschuldensunabhängig zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

    Von dieser Ersatzpflicht wird insbesondere eine eigenmächtige Entsorgung der in der Wohnung vorgefundenen Gegenstände erfasst. Denn den Vermieter, der eine Wohnung ohne Vorliegen eines gerichtlichen Titels in Besitz nimmt, trifft für die darin befindlichen Gegenstände eine Obhutspflicht. Da der Mieter von der Inbesitznahme seiner Wohnung nichts weiß und deshalb auch nicht in der Lage ist, seine Rechte selbst wahrzunehmen, gehört zu dieser Obhutspflicht des Vermieters weiter, dass er ein Bestandsverzeichnis aufstellt und den Wert der darin aufgenommenen Gegenstände feststellt. Kommt er dieser Pflicht nicht in ausreichendem Maße nach, muss er die Behauptung des Mieters widerlegen, dass bestimmte Gegenstände bei der Räumung abhanden gekommen oder beschädigt worden seien, und beweisen, dass sie einen geringeren Wert hatten als vom Mieter behauptet. Dies hat das Landgericht übersehen und dem Mieter rechtsirrig die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich Bestand und Zustand der in der geräumten Wohnung vorhandenen Gegenstände auferlegt.

    Darüber hinaus hat das Landgericht auch die an eine Schadensschätzung zu stellenden Anforderungen überspannt. Steht – wie im entschiedenen Fall – der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach fest und ist nur seine Höhe fraglich, darf die Klage grundsätzlich nicht vollständig abgewiesen werden. Das Gericht muss in diesem Fall vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilen, ob nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist. Das ist hier nicht geschehen. Die Sache ist daher an das Landgericht zurückverwiesen worden, damit die erforderlichen Feststellungen zum Bestand und zum Wert der im Zuge der Wohnungsräumung bei dem Kläger abhanden gekommenen oder beschädigten Gegenstände getroffen werden können.

    *§ 229 BGB: Selbsthilfe

    Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde.

    **§ 231 BGB: Irrtümliche Selbsthilfe

    Wer eine der im § 229 bezeichneten Handlungen in der irrigen Annahme vornimmt, dass die für den Ausschluss der Widerrechtlichkeit erforderlichen Voraussetzungen vorhanden seien, ist dem anderen Teil zum Schadensersatz verpflichtet, auch wenn der Irrtum nicht auf Fahrlässigkeit beruht.

    Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 45/09

    AG Wiesbaden -Urteil vom 15. Mai 2008 - 91 C 5169/06

    LG Wiesbaden - Urteil vom 21. Januar 2009 - 3 S 44/08

    Karlsruhe, den 14. Juli 2010

    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
    76125 Karlsruhe

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  • BGH: Unterbliebene PK-Zahlung kein Kündigungsgrund

    BGH Nr. 147/2010: Unterbliebene Zahlung der Prozesskosten eines früheren Räumungsprozesses durch den Mieter kein Kündigungsgrund

    Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass ein Vermieter einen Wohnraummietvertrag nicht deshalb kündigen kann, weil der Mieter die Prozesskosten eines früheren, auf Zahlungsverzug gestützten Räumungsprozesses nicht begleicht.

    Der Beklagte hat von der Klägerin eine Wohnung in Lüneburg angemietet. Die Miete wird jedenfalls zurzeit von der ARGE (Arbeitsgemeinschaft des kommunalen Trägers und der Agentur für Arbeit für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II) für den Mieter bezahlt. Im Dezember 2006 kündigte die Vermieterin wegen eines erheblichen Zahlungsrückstands das Mietverhältnis fristlos und erhob anschließend Räumungsklage. Innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB* wurden die Mietrückstände von der ARGE beglichen, so dass der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und dem Mieter die Prozesskosten auferlegt wurden. Der Mieter hat diese Kosten bislang nicht gezahlt. Im November 2008 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis erneut mit der Begründung, der Mieter habe seine Pflichten aus dem Mietverhältnis schuldhaft verletzt, indem er u. a. die aus dem ursprünglichen Räumungsprozess entstandenen Kosten nicht beglichen habe. Das Amtsgericht hat die Räumungsklage der Vermieterin abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

    Die dagegen gerichtete Revision der Vermieterin hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die unterbliebene Zahlung der in dem früheren Räumungsprozess angefallenen Prozesskosten weder eine ordentliche noch eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigt.

    Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Wohnraum nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB** nur dann ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, z. B. wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB**).

    Zwar verletzt der Mieter, der die ihm auferlegten Kosten aus einem früheren, auf Zahlungsverzug gestützten Räumungsprozess nicht begleicht, seine Pflichten aus dem Mietvertrag. Diese Pflichtverletzung erreicht jedoch nicht die vom Gesetz für eine Kündigung vorausgesetzte Erheblichkeitsschwelle. Denn bei der Beurteilung der Erheblichkeit darf die in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zum Ausdruck gekommene Wertung des Gesetzgebers nicht außer Acht gelassen werden. Nach der genannten Vorschrift wird eine auf Zahlungsverzug gestützte außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses aus wichtigem Grund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB***) unwirksam, wenn der Vermieter bis spätestens zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Ziel der Regelung ist es, die Obdachlosigkeit des Mieters zu vermeiden. Mit dieser Intention ist es nicht zu vereinbaren, wenn zwar die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs aufgrund einer von der Sozialhilfebehörde innerhalb der Schonfrist herbeigeführten Befriedigung des Vermieters unwirksam wird, jedoch dem Vermieter die Möglichkeit verbliebe, das Mietverhältnis gleichwohl erneut zu kündigen, weil der Mieter wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Prozesskosten des erledigten Räumungsrechtsstreits zu begleichen.

    Aus den gleichen Erwägungen stellt die unterbliebene Bezahlung der Prozesskosten auch keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB*** dar.

    *§ 569 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund



    (3) Ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gilt:

    1. …

    2. Die Kündigung wird auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. …

    ** § 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters

    (1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. …

    (2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

    1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,

    2. …

    ***§ 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

    (1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

    (2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

    1. …

    2. …

    3. der Mieter

    a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder

    b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

    Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.



    Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 267/09

    AG Lüneburg – Urteil vom 30. April 2009 – 12 C 636/08

    LG Lüneburg – Urteil vom 16. September 2009 – 6 S 62/09

    Karlsruhe, den 14. Juli 2010

    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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