Mittwoch, Juni 28, 2006

Schadensersatzanspruch gegen Starkraucher

Pressemitteilung des BGH Nr. 93/2006


Zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs des Vermieters von Wohnraum gegen den Mieter wegen Ver-unreinigungen der Wohnung durch Tabakkonsum
Zum Inhalt einer Verpflichtung zur "besenreinen" Rückgabe der Wohnung
Die Beklagten waren vom 3. Januar 2000 bis zum 31. Januar 2004 Mieter einer Wohnung des Klägers in Hockenheim. Mit Schreiben vom 19. Januar 2004 forderte der Kläger die Beklagten unter Fristsetzung zur Vornahme von Tapezier- und Reinigungsarbeiten sowie zu weiteren Mängelbeseitigungsmaßnahmen auf. Dies lehnten die Beklagten ab. Mit seiner Klage hat der Kläger von den Beklagten unter anderem Zahlung von Schadensersatz wegen der Kosten von Maler- und Reinigungsarbeiten an Wänden und Decken (4.996,89 €) sowie an Türen und Türrahmen (2.177,50 €), der Reinigung von Fenstern (727,50 €) sowie der Küche einschließlich der mitvermieteten Einbauküche und des Kellers (308 €) begehrt. Die Beklagten haben im Wege der Widerklage die Auszahlung einer Mietkaution verlangt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage im Wesentlichen stattgegeben. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die  vom Berufungsgericht zugelassene  Revision des Klägers zurückgewiesen.
Ein Schadensersatzanspruch wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen steht dem Kläger hinsichtlich der Kosten für Malerarbeiten nicht zu. Sowohl § 8 Ziff. 2 und 3 des vom Kläger verwendeten Formularmietvertrags, die die Verpflichtung des Mieters zur Ausführung von Schönheitsreparaturen regeln, als auch § 8 Ziff. 5, der eine Pflicht des Mieters zur Renovierung bei Beendigung des Mietverhältnisses enthält, sind unwirksam. Diese Klauseln haben aus der Sicht eines verständigen Mieters die Bedeutung, dass der Mieter nach Ablauf der dort festgelegten, verbindlichen Fristen von drei Jahren beziehungsweise von fünf Jahren auch dann zur Renovierung verpflichtet ist, wenn die Wohnung nach ihrem tatsächlichen Erscheinungsbild noch nicht renovierungsbedürftig ist. Wie der Bundesgerichtshof bereits wiederholt entschieden hat, benachteiligt eine solche "starre" Fälligkeitsregelung den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Die Unwirksamkeit der vorgenannten Fälligkeitsregelungen hat auch die Unwirksamkeit der entsprechenden Verpflichtungen zur Ausführung der Schönheitsreparaturen nach § 8 Ziff. 2 und 3 sowie zur Renovierung der Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses gemäß § 8 Ziff. 5 zur Folge, weil es sich nicht um Fälligkeitsregelungen handelt, die von der Pflicht zur Ausführung der Schönheitsreparaturen trennbar sind. Der Bundesgerichtshof hat auch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung verneint. An die Stelle der unwirksamen Vertragsbestimmungen tritt die gesetzliche Regelung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB; danach ist die Pflicht zur Instandhaltung der Mietsache  zu der auch die Ausführung von Schönheitsreparaturen gehört  dem Vermieter auferlegt.
Der Kläger kann Schadensersatz auch nicht wegen der von ihm geltend gemachten Verunreinigungen der Wohnung durch "Nikotinrückstände" verlangen, weil die Beklagten insoweit keine vertragliche Pflicht verletzt haben. Der Mieter ist zur Nutzung des gemieteten Wohnraums innerhalb der durch die vertraglichen Vereinbarungen gezogenen Grenzen berechtigt (§ 535 Abs. 1 Satz 1 BGB). Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden, hat der Mieter nicht zu vertreten (§ 538 BGB). Liegt eine wirksame, das Rauchen in der Wohnung einschränkende Vereinbarung nicht vor, verhält sich ein Mieter, der in der gemieteten Wohnung raucht und hierdurch während der Mietdauer Ablagerungen verursacht, grundsätzlich nicht vertragswidrig. Der Bundesgerichtshof hat offen gelassen, ob ausnahmsweise eine vom vertragsgemäßen Gebrauch nicht mehr umfasste Nutzung der Wohnung anzunehmen ist, wenn "exzessives" Rauchen bereits nach kurzer Mietzeit einen erheblichen Renovierungsbedarf zur Folge hat, weil ein solcher Fall hier nicht gegeben war. Auch eine über den vertragsgemäßen Gebrauch hinausgehende Schädigung der Mietsache, die zur Schadensersatzpflicht des Mieters führen würde, lag nicht vor. Der Vermieter wird dadurch, dass der Mieter durch Tabakkonsum verursachte Gebrauchsspuren grundsätzlich nicht zu vertreten hat, nicht unbillig benachteiligt. Denn der Vermieter hat die Möglichkeit, die Pflicht zur Ausführung der erforderlichen Schönheitsreparaturen  auch im Wege der formularvertraglichen Vereinbarung  auf den Mieter abzuwälzen, wie es in der Praxis weithin üblich ist; an einer solchen - wirksamen  Vereinbarung fehlte es hier jedoch.
Dem Kläger steht über den bereits vom Amtsgericht zuerkannten Betrag hinaus auch kein Anspruch gegen die Beklagten auf Schadensersatz hinsichtlich der Kosten für die Reinigung von Fenstern sowie der Küche und des Kellers zu. Die Beklagten haben ihre vertragliche Pflicht zur Rückgabe der Mieträume in besenreinem Zustand (§ 17 Ziff. 1 des Mietvertrags), die sich auf die Beseitigung grober Verschmutzungen beschränkt, nicht verletzt.

Urteil vom 28. Juni 2006 - VIII ZR 124/05
AG Schwetzingen - 52 C 130/04 ./. LG Mannheim - 4 S 122/04
Karlsruhe, den 28. Juni 2006

Donnerstag, Juni 08, 2006

Zwangsvollstreckung bei Betriebskostenabrechnungen

BGH-Pressemitteilung Nr. 87/2006

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte - aufgrund einer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde - über die Frage zu entscheiden, wie ein Urteil vollstreckt werden kann, das den Vermieter einer Mietwohnung verpflichtet, ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnungen für abgelaufene Abrechnungsperioden zu erteilen.

Diese Frage ist von den Gerichten bisher unterschiedlich beantwortet worden:
Wie vom Beschwerdegericht wird teilweise die Ansicht vertreten, der Mieter, der das Urteil erwirkt habe, müsse sich gerichtlich ermächtigen lassen, die Betriebskostenabrechnungen im Wege der Ersatzvornahme durch einen Dritten (z.B. einen Sachverständigen) erstellen zu lassen (§ 887 ZPO).
Nach anderer Ansicht kommt eine Zwangsvollstreckung in dieser Weise grundsätzlich nicht in Betracht. Die Verurteilung zur Erteilung einer Betriebskostenabrechnung betreffe eine Handlung, deren Vornahme ausschließlich vom Willen des verurteilten Vermieters abhänge (sog. nicht vertretbare Handlung i.S. des § 888 ZPO). Sie sei deshalb so durchzusetzen, dass der Vermieter auf Antrag des Mieters durch Zwangsgeld und - falls dieses nicht beigetrieben werden könne - durch Zwangshaft dazu anzuhalten sei, seiner Verpflichtung nachzukommen.
Der Bundesgerichtshof hat dieser zweiten Ansicht zugestimmt. Bei der Verurteilung des Vermieters, eine Betriebskostenabrechnung vorzulegen, gehe es nicht nur um dessen Verpflichtung, das reine Rechenwerk zu erstellen. Bei dieser Abrechnung habe der Vermieter vielmehr aufgrund seiner besonderen Kenntnisse verbindlich zu erklären, welche Kosten im Einzelnen angefallen seien. Eine solche Rechnungslegung sei nur ihm möglich.
Beschluss vom 11. Mai 2006 – I ZB 94/05
Landgericht Berlin - Beschluss vom 11. August 2005 - 62 T 89/05 ./.
Amtsgericht Tiergarten - Beschluss vom 30. Mai 2005 - 5 C 321/04
Karlsruhe, den 8. Juni 2006

Dienstag, Mai 16, 2006

BGH zu "Schrottimmobilien"

Bundesgerichtshof entscheidet zu kreditfinanzierten sogenannten „Schrottimmobilien“

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte darüber zu entscheiden, welche Rechte Verbrauchern zustehen, die ihren zur Finanzierung einer Eigentumswohnung geschlossenen Realkreditvertrag nach den Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes widerrufen haben.

Die Kläger waren 1995 von einem Vermittler in ihrer Privatwohnung geworben worden, zum Zwecke der Steuerersparnis ohne nennenswertes Eigenkapital eine Eigentumswohnung zu kaufen. Sie schlossen deshalb zunächst einen entsprechenden notariellen Kaufvertrag ab und traten einer Mieteinnahmegesellschaft bei. Zur Finanzierung des Kaufpreises schloss sodann die beklagte Bausparkasse als Vertreterin einer Bank mit den Käufern einen Darlehensvertrag, wobei das den Käufern gewährte Vorausdarlehen mit Hilfe von zwei bei der Beklagten abgeschlossenen anzusparenden Bausparverträgen getilgt werden sollte. Eine Belehrung der Käufer und Darlehensnehmer nach dem Haustürwiderrufsgesetz erfolgte nicht. Die Käufer bestellten für die Bausparkasse eine Grundschuld an der gekauften Eigentumswohnung über die Darlehenssumme, übernahmen dafür die persönliche Haftung und unterwarfen sich der Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Nachdem die Kläger das aufgenommene Vorausdarlehen einige Jahre bedient hatten, widerriefen sie ihre Darlehensvertragserklärungen, da sie über ihr Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz nicht belehrt worden seien. Mit ihrer Klage wenden sie sich gegen die Zwangsvollstreckung der beklagten Bausparkasse, an die die darlehensgebende Bank ihre Ansprüche abgetreten hat. Sie machen insbesondere geltend, mit Rücksicht auf die unterbliebene Widerrufsbelehrung nach dem Haustürwiderrufsgesetz könnten sie die Rückzahlung des Darlehens verweigern und die Bausparkasse auf die gekaufte Eigentumswohnung verweisen. Außerdem behaupten sie, über die mit der Eigentumswohnung verbundenen Risiken, insbesondere die tatsächlich zu erzielende Miete und den Wert der Wohnung getäuscht bzw. nicht hinreichend aufgeklärt worden zu sein. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat aber die Revision zugelassen.

Der XI. Zivilsenat hatte die Verhandlung zunächst zurückgestellt, um die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) auf die Vorlage des Landgerichts Bochum (WM 2003, 1609) in einer Sache abzuwarten, an der die beklagte Bausparkasse beteiligt ist. Nachdem die Entscheidung des EuGH am 25. Oktober 2005 (WM 2005, 2079) ergangen ist, hatte der XI. Zivilsenat nun unter anderem zu entscheiden, welche Konsequenzen aus dem Urteil des EuGH zu ziehen sind. Er ist hierbei zu folgendem Ergebnis gelangt:

Es besteht auch im Hinblick auf die Europäische Haustürgeschäfterichtlinie kein Anlass, die ständige Rechtsprechung des Senats zu ändern, nach welcher der Verbraucher nach dem Widerruf des Darlehensvertrages gemäß § 3 Haustürwiderrufsgesetz (HWiG) zur sofortigen Rückzahlung der Darlehensvaluta zuzüglich marktüblicher Zinsen verpflichtet ist. Der EuGH hat ausdrücklich betont, dass dies auch in Fällen, in denen die Darlehensvaluta nach dem für die Kapitalanlage entwickelten Konzept unmittelbar an den Verkäufer zum Erwerb der Immobilie ausgezahlt wird, der Haustürgeschäfterichtlinie entspricht. Auch soweit der EuGH gemeint hat, Art. 4 der Haustürgeschäfterichtlinie verpflichte die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, den Verbraucher vor den Risiken einer kreditfinanzierten Kapitalanlage zu schützen, die er im Falle einer Widerrufsbelehrung der kreditgebenden Bank hätte vermeiden können, bestehen weder Grund noch Möglichkeit zu einer anderslautenden richtlinienkonformen Auslegung des § 3 HWiG.

Die Frage, ob im Hinblick auf die genannte Vorgabe des EuGH aus der unterbliebenen Widerrufsbelehrung – wie in Literatur und Rechtsprechung zum Teil vertreten - ein Schadensersatzanspruch der Kläger folgen könnte, hat der Senat offen gelassen. Ein derartiger Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Widerrufsbelehrung scheidet hier nämlich schon wegen Fehlens der erforderlichen Kausalität aus, weil die Kläger den Kaufvertrag bereits geschlossen hatten, bevor es zum Abschluss des Darlehensvertrages kam. Die Erteilung einer Widerrufsbelehrung konnte sie daher vor den Risiken ihres Immobilienkaufs nicht mehr schützen.

Der XI. Zivilsenat hat aber im Interesse der Effektivierung des Verbraucherschutzes bei realkreditfinanzierten Wohnungskäufen und Immobilienfondsbeteiligungen, die nicht als verbundene Geschäfte behandelt werden können, und um dem in den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Oktober 2005 zum Ausdruck kommenden Gedanken des Verbraucherschutzes vor Risiken von Kapitalanlagemodellen im nationalen Recht Rechnung zu tragen, seine Rechtsprechung zum Bestehen von eigenen Aufklärungspflichten der kreditgebenden Bank in diesen Fällen ergänzt. Danach können sich die Anleger in Fällen eines institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen. Die eine eigene Aufklärungspflicht auslösende Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles evident ist, so dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses Feststellungen zu der von den Klägern behaupteten arglistigen Täuschung und der Frage eines institutionalisierten Zusammenwirkens der beklagten Bausparkasse mit den Vermittlern treffen kann.

Urteil vom 16. Mai 2006 – XI ZR 6/04
OLG Hamm, Urteil vom 1. Dezember 2003 – 5 U 125/03
LG Dortmund, Urteil vom 4. April 2003 – 6 O 504/02
Karlsruhe, den 16. Mai 2006

Mittwoch, März 08, 2006

BGH: WMietR Betriebskosten

Der Beklagte ist Mieter einer nicht preisgebundenen Wohnung der Klägerin in Berlin. Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter anderem Zahlung rückständiger Mieten sowie Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen verlangt. Der Beklagte hat beanstandet, dass die Klägerin die im selben Gebäude befindlichen Gewerbeflächen und die darauf entfallenden Kosten in den Betriebskostenabrechnungen nicht vorweg abgezogen und ihm darüber hinaus trotz eines entsprechenden Verlangens keine Fotokopien zu den einzelnen Abrechnungsbelegen überlassen habe.
Im Übrigen hat der Beklagte wegen der von ihm beanstandeten Abrechnungsweise die Aufrechnung erklärt und Widerklage erhoben. Das Berufungsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Widerklage insgesamt abgewiesen.
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass bei der Abrechnung des Vermieters von preisfreiem Wohnraum über Betriebskosten soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben ein Vorwegabzug der Kosten, die auf die in einem gemischt genutzten Gebäude befindlichen Gewerbeflächen entfallen, jedenfalls dann nicht geboten ist, wenn sie hinsichtlich aller oder einzelner Betriebskostenarten nicht zu einer ins Gewicht fallenden Mehrbelastung der Wohnraummieter führen. Der Vorwegabzug ist nur für bestimmte Mietverhältnisse im öffentlich geförderten Wohnungsbau gesetzlich vorgeschrieben (§ 20 Abs. 2 Satz 2 der Neubaumietenverordnung). Er soll verhindern, dass die Wohnungsmieter mit Kosten belastet werden, die allein oder in höherem Maße aufgrund einer gewerblichen Nutzung in gemischt genutzten Objekten entstehen. Dem Wohnungsmieter entsteht jedoch kein Nachteil, wenn er durch die Umlage der auf das Gebäude entfallenden Gesamtkosten nach einem einheitlich für alle Mieter geltenden Maßstab nicht schlechter gestellt wird als im Falle einer Voraufteilung zwischen Wohn- und Gewerbeflächen. Hierdurch wird auch dem Interesse beider Mietvertragsparteien an einer Vereinfachung der Abrechnung Rechnung getragen. Nach diesen Grundsätzen waren die Betriebskostenabrechnungen der Klägerin ordnungsgemäß. Das Berufungsgericht hatte angenommen, die in dem Gebäude befindlichen fünf Gewerbebetriebe darunter ein Job-Center und ein Internet-Café hätten keine erhebliche Mehrbelastung hinsichtlich der einzelnen Betriebskostenarten verursacht. Diese Würdigung des Berufungsgerichts, die vom Bundesgerichtshof nur auf das Vorliegen von Rechtsfehlern zu überprüfen ist, war aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Des Weiteren hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Mieter preisfreien Wohnraums grundsätzlich keinen Anspruch gegen den Vermieter auf Überlassung von Fotokopien der Abrechnungsbelege zur Betriebskostenabrechnung hat. Einen solchen Anspruch des Mieters sieht das Gesetz für den Bereich des preisfreien Wohnraumes nicht vor. Einer entsprechenden Anwendung des § 29 Abs. 2 Satz 1 der Neubaumietenverordnung, der für bestimmte preisgebundene Wohnraummietverhältnisse dem Mieter einen Anspruch auf Überlassung von Ablichtungen gegen Kostenerstattung einräumt, steht entgegen, dass eine dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufende Regelungslücke des Gesetzes nicht vorliegt. Auch ein Anspruch des Mieters nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf Übersendung von Fotokopien war im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Vermieter kann ein berechtigtes Interesse daran haben, den Mieter auf die Einsichtnahme in die Rechnungsbelege zu verweisen die dessen Interesse an einer Überprüfung der Abrechnung in der Regel hinreichend Rechnung trägt , um den durch die Anfertigung von Fotokopien entstehenden zusätzlichen Aufwand zu vermeiden und dem Mieter mögliche Unklarheiten im Gespräch sofort zu erläutern. Hierdurch kann Fehlverständnissen der Abrechnung und zeitlichen Verzögerungen durch ein Verlangen des Mieters nach Übersendung weiterer Kopien von Rechnungsbelegen wie es auch der Beklagte, dem die Klägerin während des Rechtsstreits rund 300 Fotokopien von Abrechnungsbelegen übermittelt hatte, gestellt hatte vorgebeugt werden. Dieses Interesse des Vermieters würde nicht hinreichend berücksichtigt, wenn er dem Mieter stets auch gegen Kostenerstattung auf dessen Anforderung hin Belegkopien zu überlassen hätte.

Ein Anspruch des Mieters auf Übermittlung von Fotokopien kommt nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) allerdings ausnahmsweise dann in Betracht, wenn ihm die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen in den Räumen des Vermieters nicht zugemutet werden kann. So lag der Fall hier jedoch nicht. Dass dem Beklagten die Einsichtnahme in den Geschäftsräumen der ebenfalls in Berlin gelegenen Hausverwaltung nicht unzumutbar war, hatte das Berufungsgericht mit rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht beanstandeten Erwägungen angenommen.

Urteil vom 8. März 2006 VIII ZR 78/05
AG Berlin-Mitte 2 C 144/03 ./. LG Berlin 67 S 99/04
Karlsruhe, den 8. März 2006
Pressestelle des Bundesgerichtshof

Freitag, Oktober 21, 2005

Erste Solarsiedlung Deutschlands eröffnet

Freiburg im Breisgau (Deutschland), 21.10.2005 – Im Baden-Württembergischen Freiburg wurde heute nach fünfjähriger Bauzeit die erste Solarsiedlung Deutschlands in Betrieb genommen.

Seit dem Baubeginn im Jahr 1999 haben ein Freiburger Architekt und die beiden Inhaber einer bekannten Böblinger Schokoladenfabrik mehr als 50 Häuser erstellt. Zusätzlich wurde ein großes Dienstleistungszentrum in die Siedlung integriert. Dort sind Geschäfte und Büros untergebracht. Das 40 Millionen Euro teure Projekt dehnt sich auf einer Fläche von 6.000 Quadratmetern aus.

Die gesamte Anlage produziert mehr Energie, als benötigt wird. Dies ermöglichen die Sonnenkollektoren auf den Dächern der Häuser. Der gesamte Bau wurde mit Techniken der so genannten „passiven Wärmenutzung“ erstellt. Nach Angaben der Bauherren sei das Vorhaben unter Berücksichtigung von Ökologie und Ökonomie ein wirtschaftlicher Erfolg. Bereits jetzt zur Fertigstellung seien mehr als 80 Prozent der Gebäudeflächen vermietet worden.

Auch das Land Baden-Württemberg würdigte die Fertigstellung der Anlage. Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) wies auf die Bedeutung des Projektes im Hinblick auf erneuerbare Energien hin. Sie erhofft sich eine über die Landesgrenzen hinausgehende Signalwirkung. Laut Gönner nehme das Bundesland bereits jetzt eine führende Stellung direkt nach Bayern bei der Errichtung energiesparender Bauprojekte ein. Die Nutzung der vorhandenen Sonnenenergie sei sehr weit fortgeschritten. +wikipedia+

Mittwoch, Juli 20, 2005

BGH: Kabel-TV statt Digital-TV

Nr. 107/2005
Bundesgerichtshof zur Duldungspflicht des Mieters für Arbeiten zum Anschluß der Wohnung an ein rückkanalfähiges Breitbandkabelnetz (im Empfangsbereich des terrestrischen Digitalfernsehens in Berlin)

Der unter anderem für das Wohnungsmietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, daß der vom Vermieter beabsichtigte Anschluß einer Wohnanlage an ein rückkanalfähiges Breitbandkabelnetz auch im Empfangsbereich des in Berlin zu empfangenden terrestrischen Digitalfernsehens (DVB-T) weiterhin eine Verbesserung der Mietsache im Sinne des § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB darstellt und die dafür erforderlichen Arbeiten deshalb vom Mieter zu dulden sind.

Die Klägerin ist Eigentümerin einer 66 Einheiten umfassenden Wohnanlage in Berlin; die Beklagte hat dort eine Wohnung gemietet. Die Wohnanlage war ursprünglich an eine Gemeinschaftsantenne zum Empfang von Fernsehprogrammen angeschlossen. Nachdem ab 1. November 2002 das sogenannte terrestrische Digitalfernsehen (DVB-T) in Berlin eingeführt und im Zuge dieser Umstellung der analoge Empfang von Fernsehprogrammen eingestellt worden war, installierte die Klägerin zur vor-übergehenden Sicherung des Fernsehempfangs eine Satellitenanlage, mit der wie bei der vorherigen Gemeinschaftsantenne lediglich fünf Fernsehprogramme empfangen werden können.
Die Klägerin beabsichtigt den Anschluß der gesamten Wohnanlage an ein rückkanalfähiges Breitbandkabelnetz. Sie erbat die Zustimmung der Mieter zur Durchführung der dafür erforderlichen Arbeiten. Die Beklagte verweigerte ihre Zustimmung mit der Begründung, daß seit Einführung des Digitalfernsehens in Berlin der Fernsehempfang hier in gleicher Qualität, jedoch preiswerter mit einer Set-Top-Box möglich sei.
Die Klägerin hat daraufhin die Verurteilung der Beklagten zur Duldung der für den Kabelanschluß in der Wohnung der Beklagten erforderlichen Arbeiten begehrt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts mit der Begründung aufgehoben, daß ein Anspruch der Klägerin auf Duldung der für den Kabelanschluß erforderlichen Arbeiten nicht aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen verneint werden könne.
Nach § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Mieter Maßnahmen zur Verbesserung der Mietsache zu dulden. Ob eine Maßnahme zur Verbesserung der gemieteten Räume vorliegt, ist objektiv, das heißt nicht nach der Wertung des derzeitigen Mieters zu bestimmen; entscheidend ist, ob der Maßnahme nach der Verkehrsanschauung eine Wohnwertverbesserung zugemessen wird, so daß der Vermieter damit rechnen kann, daß die Wohnung von künftigen Mietinteressenten eher angemietet werden wird als eine vergleichbare Wohnung, bei der die Maßnahme nicht durchgeführt worden ist.

Der Auffassung des Berufungsgerichts, daß im Hinblick auf das in Berlin mit entsprechender Antenne und Set-Top-Box frei empfangbare Digitalfernsehen eine Wohnwertverbesserung durch einen rückkanalfähigen Breitbandkabelanschluß „noch nicht“ gegeben sei, weil nach der Verkehrsanschauung nicht angenommen werden könne, daß die weitergehenden Nutzungsmöglichkeiten, die das Breitbandkabelnetz gegenüber dem Digitalfernsehen biete, bereits einen durchschnittlichen Standard darstellten oder von einer ins Gewicht fallenden Zahl von Mietern nachgefragt würden, ist der Senat nicht gefolgt.
Er hat hierzu ausgeführt, daß der Vermieter, der eine Modernisierung beabsichtigt, nicht darauf beschränkt ist, die Wohnung nur auf den durchschnittlichen Standard des gegenwärtigen Wohnungsmarkts anzuheben.

Ein Vermieter darf die Attraktivität seiner Wohnungen auch durch eine überdurchschnittliche Ausstattung erhöhen, selbst wenn die Nachfrage danach noch verhältnismäßig gering sein mag. Eine nicht gegen den Willen des Mieters durchsetzbare "Luxusmodernisierung“ liegt bei einem Kabelanschluß jedenfalls nicht vor.

Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, daß die weitergehenden Nutzungsmöglichkeiten des Breitbandkabelnetzes gegenüber dem terrestrischen Digitalfernsehen nicht von einer ins Gewicht fallenden Anzahl von Mietern nachgefragt würden, hat es bei dem von ihm angestellten Vergleich wesentliche Umstände nicht berücksichtigt.

Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt sind nach dem gegenwärtigen Entwicklungsstand über das Breitbandkabelnetz im Gegensatz zum Digitalfernsehen zusätzlich etwa 30 Hörfunkprogramme in Stereoqualität zu empfangen. Hinzu kommen zu den 34 analogen Fernsehprogrammen des Kabelnetzes, denen 27 Fernsehprogramme des Digitalfernsehens gegenüberstehen, etwa 60 weitere über das Kabelnetz mit Hilfe eines Decoders digital zu empfangende in- und ausländische Fernsehprogramme sowie die zukünftige Möglichkeit interaktiver Mediennutzung.
Insoweit hat das Berufungsgericht insbesondere nicht berücksichtigt, daß zu den 60 digitalen Zusatzprogrammen des Kabelnetzes zahlreiche ausländische Fernsehprogramme gehören.

Angesichts des Ausländeranteils der Berliner Bevölkerung und der darauf beruhenden Nachfrage nach ausländischen Fernsehprogrammen, die auch in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über die Aufstellung von Parabolantennen zum Empfang ausländischer Fernsehprogramme zum Ausdruck kommt, hat der Senat die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu teilen vermocht, daß der Anschluß an das Breitbandkabelnetz, das ausländische Programme in erheblicher Anzahl zur Verfügung stellt und insoweit die zusätzliche Aufstellung von Parabolantennen entbehrlich macht, gegenüber dem Digitalfernsehen, das diese Möglichkeit zur Zeit nicht bietet, nicht von wesentlichem Vorteil sei.

Da somit der von der Klägerin beabsichtigte Anschluß der Wohnanlage an das rückkanalfähige Breitbandkabelnetz nach dem gegenwärtigen Stand der technischen Entwicklung als Maßnahme zur Verbesserung der Mietsache anzusehen ist, erstreckt sich die grundsätzlich bestehende Duldungspflicht der Beklagten nicht nur auf die Arbeiten, die für den Anschluß der von ihr gemieteten Wohnung an das Breitbandkabelnetz erforderlich sind, sondern ebenso auf die Verlegung der Kabel durch die Wohnung der Beklagten in die darüberliegende Wohnung, um deren Anschluß an das Breitbandkabelnetz zu ermöglichen.

Der Senat hat jedoch den Rechtsstreit nicht abschließend entschieden, sondern an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus folgerichtig bislang nicht geprüft hat, ob die Duldungspflicht der Beklagten aufgrund der Härteklausel des § 554 Abs. 2 Satz 2 bis 4 BGB ausnahmsweise ausgeschlossen ist.

Urteil vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 253/04
AG Schöneberg 106 C 540/03 ./. LG Berlin 63 S 49/04
Karlsruhe, den 20. Juli 2005
Pressestelle des Bundesgerichtshof

Mittwoch, Juli 06, 2005

Dresdener WOBA soll verkauft werden - Mieter verbittert

Dresden (Deutschland), 06.07.2005 – Gestern fanden sich im Dresdener Rathaus etwa 200 Bürger der Stadt ein, um sich über den umstrittenen Beschluss des Stadtrats zum Verkauf des städtischen Wohnungsunternehmens WOBA zu informieren und um ihren Missmut über den Ablauf und die Hintergründe sowie die Problematik aus der eigenen Sicht zum Ausdruck zu bringen.

Die WOBA Dresden GmbH besteht seit 2004 aus der „Südost WOBA Dresden GmbH“, der „Wohnbau Nordwest GmbH“, der „STESAD GmbH“ und der „STESAD Immobilien GmbH“ und verfügt über einen Immobilienbestand von über 47.000 Wohnungen. Im Zuge der deutschen Einheit haben die Wohnungsbaugesellschaften, die durch den Stadtrat die Entscheidungsgewalt ausüben, den volkseigenen Wohnraum zur Verwaltung übernommen und bestimmen auch über dessen Veräußerung.

Der Stadtrat hat letzte Woche in einem Beschluss mit 40 zu 23 Stimmen für den Verkauf gestimmt. Die Sitzung verlief laut einiger anwesender Bürger in einer sehr undisziplinierten Art und Weise. Die Besucher der Informationsveranstaltung bemängeln die Schnelligkeit des Verfahrens und vermuten unzureichende Struktur und Weitsicht hinter dem Verkauf der Wohngebäude. In der Folge wird von Verletzungen der städtischen Pflichten bezüglich eines mietergerechten Wohnens ausgegangen, da zukünftige Käufer nur mit Profitgedanken in den Kauf gehen werden und eine längere Haltung der Immobilien von Vornherein nicht anstreben.

Bei der öffentlichen Veranstaltung, organisiert von der Partei Bündnis 90/Die Grünen, wurden noch weitere Missstände angesprochen. Die Stadt und deren Organe seien ihrer Pflicht, sich um das Wohlbefinden der Bürger zu kümmern, nicht nachgekommen. Die Anwesenden fühlten sich schlecht informiert, hintergangen und betrogen. Von den Befürwortern des Verkaufs war trotz einer breiten Einladungsversendung kein Vertreter anwesend, um den Fragenden die Gründe oder weiterführende Gedanken zum Verkauf der kommunalen Wohnungen zu nennen.

Der Oberbürgermeister der Stadt Ingolf Roßberg kam der Einladung ebenfalls nicht nach und steht dadurch in starker Kritik. Die Besucher mahnten den Bruch von mehreren Wahlversprechen an und planen in den kommenden Tagen durch ein Aktionsbündnis ihren Wünschen Ausdruck zu verleihen und die Entscheidung anzufechten. +wikinews+

Mittwoch, Juni 01, 2005

BGH: Mietrückstände im Urkundenprozess

BGH-Pressemitteilung  Nr. 81/2005
Klage auf rückständige Wohnraummiete im Urkundenprozeß zulässig

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, daß der Vermieter von Wohnraum rückständige Miete im Urkundenprozeß geltend machen kann, auch wenn der Mieter Mängel der Wohnung einwendet.
Die Parteien schlossen einen schriftlichen Mietvertrag über eine 4-Zimmer-Wohnung zu einer monatlichen Miete in Höhe von 660 €. Für November 2003 zahlte er unter Berufung auf eine Gegenforderung lediglich 169,80 €. Den Differenzbetrag von 490,20 € hat der Vermieter unter Vorlage des Mietvertrags im Urkundenprozeß eingeklagt. Der Mieter hat demgegenüber Mängel der Wohnung geltend gemacht, die er jedoch nicht mit den im Urkundenprozeß zulässigen Beweismitteln (Urkundenbeweis und Parteivernehmung) belegen konnte. Die Vorinstanzen haben die Klage als im Urkundenprozeß unstatthaft abgewiesen. Auf die Revision des Vermieters hat der Bundesgerichtshof den Mieter zur Zahlung der rückständigen Miete verurteilt und ihm die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
Gemäß § 592 Satz 1 ZPO kann ein Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme im Urkundenprozeß geltend gemacht werden, wenn sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Erhebt der Prozeßgegner Einwendungen gegen die Klageforderung, muß er die zugrunde liegenden Tatsachen, soweit sie streitig sind, gemäß § 595 Abs. 2 ZPO durch Urkunden oder durch Parteivernehmung beweisen. Gelingt ihm dies nicht, ist der Klage durch Vorbehaltsurteil zunächst stattzugeben; dem Beklagten ist die Ausführung seiner Rechte vorzubehalten. Im sogenannten Nachverfahren muß sodann mit allen im Zivilprozeß zugelassenen Beweismitteln festgestellt werden, ob die Einwendungen des Beklagten berechtigt sind. Ist dies der Fall, wird das Vorbehaltsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger ist in diesem Fall auch ohne Verschulden zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Vorbehaltsurteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist.
Der VIII. Zivilsenat hat entschieden, daß die durch § 592 Satz 1 ZPO grundsätzlich jedem Gläubiger einer Geldschuld eingeräumte Befugnis, im Urkundenprozeß einen vorläufigen Titel gegen den Schuldner zu erlangen, auch dem Vermieter von Wohnraum zusteht, der unter Vorlage des Mietvertrags rückständige Miete geltend macht. Zwar wird nach § 536 Abs. 1 BGB bei Mängeln der Mietsache die geschuldete Miete automatisch von Gesetzes wegen gemindert. Jedoch gehört die Mangelfreiheit der Mietsache nicht zu den zur Begründung des Anspruchs auf Miete erforderlichen Tatsachen. Gemäß § 536 Abs. 1 BGB sind Mängel vom Mieter darzulegen und zu beweisen, wenn er die Mietsache übernommen hat. Der Inanspruchnahme des Urkundenprozesses steht auch nicht entgegen, daß rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, die die gesetzlich eintretende Mietminderung zum Nachteil des Mieters ausschließen oder einschränken, bei Wohnraummietverhältnissen gemäß § 536 Abs. 4 BGB unwirksam sind. Zwar hat der Urkundenprozeß zur Folge, daß der Mieter, der die von ihm geltend gemachten Mängel regelmäßig wie auch im zur Entscheidung stehenden Fall nicht mit den im Urkundenprozeß zugelassenen Beweismitteln nachweisen kann, zunächst durch Vorbehaltsurteil zur Zahlung der Miete verurteilt wird und daß erst im Nachverfahren über das Vorliegen von Mängeln und eine sich daraus ergebende Mietminderung entschieden wird. Der Bundesgerichtshof hat jedoch ausgeführt, daß der Mieter den Nachteilen, die ihm durch eine Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil möglicherweise entstehen, weitgehend durch die Schutzanordnungen der Zivilprozeßordnung begegnen kann und daß er zudem durch eine verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters abgesichert ist. Diese Nachteile sind daher im wesentlichen vorläufiger Natur und nicht zu vergleichen mit einer Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung, die ihm durch eine nach § 536 Abs. 4 BGB unzulässige rechtsgeschäftliche Vereinbarung droht. Das materielle Mietrecht rechtfertigt es deshalb nicht, die prozessualen Befugnisse des Vermieters aus § 592 Satz 1 ZPO entgegen dem umfassenden Wortlaut der Vorschrift einzuschränken. Der Bundesgerichtshof hat den Rechtsstreit zur Durchführung des Nachverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Urteil vom 1. Juni 2005 VIII ZR 216/04
AG Jever 5 C 888/03 ./. LG Oldenburg 10 S 209/04
Karlsruhe, den 1. Juni 2005

Mittwoch, Mai 18, 2005

BGH: Eigenbedarfskündigung und Schadensersatz

Nr. 75/2005
Zur Darlegungs- und Beweislast im Schadensersatzprozeß des
Mieters wegen unberechtigter Eigenbedarfskündigung


Die Kläger waren Mieter einer Wohnung im Erdgeschoß eines Hauses in Mannheim, das ursprünglich im Eigentum der Eltern der Klägerin zu 2 und des Beklagten stand. Seit Herbst 1998 ist der Beklagte, der die im gleichen Haus gelegene Souterrainwohnung bewohnt, Eigentümer des Hausgrundstücks. Im Dezember 1998 kündigte der Beklagte das mit den Klägern bestehende Mietverhältnis zum 31. Dezember 1999 mit der Begründung, er wolle "in die größere, hellere und trockenere Wohnung im Erdgeschoß einziehen". Die Kläger räumten die Wohnung und mieteten eine andere Wohnung zu einem höheren Mietzins. In der folgenden Zeit nahm der Beklagte in der Erdgeschoßwohnung Sanierungsarbeiten vor, die sich bis in das Jahr 2002 hinzogen. Nachdem er geheiratet hatte, vermietete er die Erdgeschoßwohnung Mitte des Jahres 2002 anderweitig. Er lebt mit seiner Ehefrau in der durch Umbau vergrößerten Souterrainwohnung.

Die Kläger haben Schadensersatz wegen Umzugskosten und wegen der Differenz zwischen der ursprünglichen und der in der neuen Wohnung gezahlten Miete verlangt sowie die Feststellung begehrt, daß der Beklagte verpflichtet ist, auch den künftig infolge der Kündigung entstehenden Schaden zu ersetzen. Sie haben vorgetragen, der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, die Erdgeschoßwohnung selbst zu nutzen. Der Beklagte hat vorgetragen, er habe sich erst zu Beginn des Jahres 2002 entschlossen, seine Lebensgefährtin zu heiraten und die Souterrainwohnung zur gemeinsamen Ehewohnung auszubauen, weil die Erdgeschoßwohnung als Familienwohnung zu klein sei.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg. Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, weil es weiterer Feststellungen zu der Frage bedarf, ob der von dem Beklagten mit der Kündigung geltend gemachte Eigenbedarf vorgeschoben war.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine Rechtsprechung bestätigt, daß ein Vermieter, der schuldhaft eine Kündigung ausspricht, die wegen eines fehlenden Kündigungsgrundes unwirksam ist, dem Mieter zum Schadensersatz verpflichtet ist. Nicht gefolgt ist der Bundesgerichtshof der Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Vermieter für das Vorliegen seines mit der Kündigung behaupteten Selbstnutzungswillens die Darlegungs- und Beweislast trage.

Grundsätzlich hat derjenige, der aus einer ihm günstigen Norm Rechte herleitet, deren tatsächliche Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Diese Verteilung der Beweislast gilt auch für den Schadensersatzanspruch, den der Mieter gegen den früheren Vermieter wegen einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung geltend macht. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, bei diesem Anspruch von dem allgemeinen Grundsatz der Beweislastverteilung abzuweichen, ist, wie der Bundesgerichtshof im einzelnen ausgeführt hat, nicht gegeben. Der Mieter wird dadurch, daß ihm der Beweis für den fehlenden Selbstnutzungswillen des Vermieters auferlegt wird, nicht in unbilliger Weise belastet. Denn der Vermieter darf sich im Prozeß nicht darauf beschränken, die Behauptung des Mieters, daß der Kündigung ein Selbstnutzungswille des Vermieters nicht zugrunde gelegen habe, schlicht zu bestreiten. Setzt der Vermieter den mit der Kündigung behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat um, so liegt der Verdacht nahe, daß der Eigenbedarf als Kündigungsgrund nur vorgeschoben war. Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten, substantiiert und plausibel darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung geltend gemachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. Erst wenn der Vortrag des Vermieters dem genügt, obliegt dem Mieter der Beweis, daß ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestanden hatte.

Daß der Beklagte seinen ursprünglichen Selbstnutzungswillen und die tatsächlichen Gründe für dessen spätere Aufgabe substantiiert und plausibel dargelegt hat, war für das Revisionsverfahren zu unterstellen. Daher ist es nun Sache der Kläger, ihre anspruchsbegründende Behauptung, der Beklagte habe von Anfang an nicht beabsichtigt, in die von ihnen gemietete Wohnung einzuziehen, zu beweisen. Die Kläger haben für ihr Vorbringen auch Zeugenbeweis angetreten.

Das Vorbringen der Kläger war nicht bereits aufgrund eines Beweises des ersten Anscheins als erwiesen anzusehen. Der Bundesgerichtshof hat offengelassen, ob unter bestimmten Voraussetzungen ein Anscheinsbeweis zugunsten des Mieters dafür sprechen kann, daß ein Eigenbedarf schon ursprünglich nicht bestand, wenn der mit der Kündigung behauptete Eigenbedarf nicht verwirklicht wird. Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen für einen Beweis des ersten Anscheins jedenfalls nicht erfüllt, weil allein der große zeitliche Abstand zwischen der Räumung der Wohnung und deren erneuter Vermietung es nicht als hinreichend naheliegend erscheinen läßt, daß sich der Beklagte bereits vor dem Auszug der Kläger zur Neuvermietung der Wohnung entschlossen hatte.

Urteil vom 18. Mai 2005 - VIII ZR 368/03
AG Mannheim - 17 C 423/02 ./. LG Mannheim - 4 S 23/03
Karlsruhe, den 18. Mai 2005
Pressestelle des Bundesgerichtshof

Mittwoch, Mai 04, 2005

BGH: Mieterhöhung und Verzug

BGH-Pressemitteilung Nr. 70/2005
Kein rückwirkender Verzug des Mieters mit der Zahlung von Mieterhöhungsbeträgen

Der u. a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, daß der Mieter nicht rückwirkend mit der Zahlung von Mieterhöhungsbeträgen in Verzug gerät, wenn er dazu verurteilt wird, einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters für Zeiträume zuzustimmen, die vor Rechtskraft des Zustimmungsurteils liegen.
Die Klägerin hatte von den beklagten Mietern ihrer Wohnung im Februar 2001 die Zustimmung zu einer Erhöhung der Kaltmiete verlangt. Da die Beklagten ihr Einverständnis mit der Mieterhöhung verweigerten, erwirkte die Klägerin ein rechtskräftiges Urteil vom 20. Dezember 2002, durch das die Beklagten verurteilt wurden, einer Erhöhung der Miete um 55,22 € im Monat ab dem 1. Mai 2001 zuzustimmen. Sie zahlten die Erhöhungsbeträge für die Zeit bis einschließlich Januar 2003 am 5. Februar 2003. Die Klägerin hat die Zahlung von Verzugszinsen aus den monatlichen Erhöhungsbeträgen für die Zeit vom 1. Mai 2001 bis 4. Februar 2003, insgesamt 81,55 €, begehrt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt.
Der Bundesgerichtshof hat auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten das amtsgerichtliche Urteil wiederhergestellt. Nach seiner heutigen Entscheidung hat zwar der Mieter, der dazu verurteilt wird, einer vom Vermieter verlangten Mieterhöhung zuzustimmen, die Erhöhungsbeträge gemäß § 558b Abs. 1 BGB für die Zeit ab dem Beginn des dritten Kalendermonats nach dem Zugang des Erhöhungsverlangens zu zahlen. Jedoch wird diese Schuld erst in dem Zeitpunkt fällig, in dem das Zustimmungsurteil rechtskräftig wird. Die Verpflichtung des Mieters zur Zahlung einer erhöhten Miete setzt nach dem Willen des Gesetzgebers eine entsprechende Änderung des Mietvertrags voraus. Diese tritt - wenn der Mieter der Änderung nicht freiwillig zustimmt - erst mit Rechtskraft des Zustimmungsurteils ein, infolge derer sein Einverständnis mit der Vertragsänderung gemäß § 894 ZPO als erklärt gilt. Der Gesetzgeber hat keine Rückwirkung der Änderung auf den Beginn des Zeitraums angeordnet, für den der Mieter die erhöhte Miete schuldet. Deshalb kann der Mieter auch nicht rückwirkend mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge in Verzug geraten und der Vermieter nicht rückwirkend gemäß § 288 BGB Verzugszinsen aus den Erhöhungsbeträgen verlangen.
Der Vermieter kann den Mieter allerdings bereits vor Rechtskraft des Zustimmungsurteils durch eine Mahnung nach § 286 Abs. 1 BGB in Verzug mit der Zustimmung zu der von ihm verlangten Mieterhöhung setzen. Dadurch erlangt der Vermieter zwar keinen Anspruch auf Verzugszinsen nach § 288 BGB, weil diese Vorschrift eine Geldschuld voraussetzt und auf eine Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung keine Anwendung findet. Der Vermieter kann jedoch in diesem Fall nach § 280 Abs. 1 und 2 BGB Ersatz des Schadens verlangen, der ihm durch eine vom Mieter zu vertretende Verzögerung der Zustimmung entsteht. Dieser Schaden kann auch in einem Zinsverlust bestehen, den der Vermieter aber im Prozeß konkret darlegen muß. Das war im zur Entscheidung stehenden Fall nicht geschehen, so daß offen bleiben konnte, ob die Beklagten mit der Zustimmung zur Mieterhöhung in Verzug waren.

Urteil vom 4. Mai 2005 – VIII ZR 94/04
AG Hannover – 523 C 2558/03 ./. LG Hannover 8 S 78/03
Karlsruhe, den 4. Mai 2005
Pressestelle des Bundesgerichtshof